10. Bericht: Kanaren (2) Teneriffa (1. – 16.11.11)

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Santa Cruz de Tenerife  – der Hafen gefällt uns nicht besonders und trotzdem liegen wir hier fast eine Woche. Eine große Marina, vom Atlantik durch eine lange unübersehbare Mauer getrennt und geschützt. Draußen kaum Wind, aber 5m Welle. Gut, dass wir noch rechtzeitig herüber gesegelt sind.


Wir verbringen die Hafentage mit allerlei anstehenden Arbeiten, vorrangig mit der Fertigstellung unseres ersten Fotobuches als Geburtstagsgeschenk für Mutter Hacksteins 75ten. Aus mehreren 1000 Bildern eine kleine Auslese zu treffen, das ist die erste Herausforderung. Natürlich gefällt uns das in 3 Minuten fertiggestellte Layout nicht. Als Greenhorn sitze ich dann aber zwei Tage daran, ein individuelles Layout zu realisieren. Und noch länger dauert es, die Fehlermeldungen zu beseitigen und die Bestellung abzuschicken. Der Weg zum nächsten Internet ist lang, doch dank unserer Roller sind´s nur 10 Minuten bis zum 1 Euro Frühstück mit Cafe, Toast und Gratisinternet bei Mc Donalds.

Das Auditorium von Santiago Calatrava sehen wir schon bei der Ansteuerung des Hafens von See. Eine Oper wie in Sydney wollte man für Santa Cruz. Begeistert von der dynamischen Architektur dieses spanischen Stararchitekten rollern wir gleich am ersten Tag hin. Welch glücklicher Zufall – wir sind gerade richtig zum Tanzfestival FAM (Festival de Arte Movemiento) hier! An drei Abenden erleben wir modernen Tanz und ganz nebenbei das spannende Auditorium von Innen und mit all seinen Finessen. Während wir auf eine Tanzperformance im Foyer warten, schwenkt langsam die gesamte Fensterfront nach oben. Musik läuft und wir sehen über den dunklen Vorplatz aufs Meer. Da fährt ein Truck vor und setzt langsam zurück, die Ladefläche vor´s Foyer schiebend. Der Fahrer steigt aus, öffnet den Container und im leeren Innenraum beginnt eine Tänzerin sich zu bewegen. Verdammt gut inszeniert. Wir genießen es, nach langer Zeit und so unerwartet Tanz auf hohem Niveau zu erleben.

Zudem traf die SY Jacqueline, eine Segelyacht aus dem heimatlichen Großenbrode am 2. Tag direkt neben uns ein. Wieder einmal vertraute und nette Nachbarn. Dies ist die letzte Gelegenheit Lutz und Armin vor ihrer Atlantiküberquerrung nochmal zu treffen, denn sie wollen schon in einer Woche los zu den Kap Verden und in die Karibik. Wir verbringen einige gemeinsame Abende im Auditorium und in der Gastromeile  der Stadt mit Blick auf den „Laufsteg“ der schönsten Frauen von Teneriffa .  

 

Uns zieht es weiter, wieder mal in die Natur. Auf der Suche nach einem schönen Ankerplatz segeln wir bei frischem Nordost in den Süden Teneriffas. Nur mit der Genua (Vorsegel) läuft Chiloe 5-6 Kn.  Schön schnell zieht die Küste mit beeindruckendem Panorama an uns vorüber. Gegen Abend schläft der Wind langsam ein und wir starten den Motor. Da hören wir einen Funkruf der Kira. Seit Portugal haben wir sie nicht mehr gesprochen, sie sind auch unterwegs, von Gran Canaria nach Teneriffa. Klasse – wir verabreden uns am angesteuerten Ankerplatz, vor dem Playa Tejita. Gegen 20 Uhr nähern wir uns dem Flughafen Teneriffa-Süd. Die Bucht ist vom gelben Licht der Flughafenscheinwerfer beleuchtet, zur Ostseite ist die Kontur des Moñtana Roja auszumachen, in dessen Schutz wir den Anker fallen lassen. Die Kira folgt uns und trifft nachts um halb zwei ein. Die Jungs paddeln gleich herüber und wir freuen uns bei ein paar Bierchen und Wein über unser Wiedersehen. Es gibt viel zu erzählen und so geht’s erst um vier in die Koje. Am nächsten Morgen zeigt der Blick im Hellen eine etwas bizarre Umgebung: zur einen Seite der Montana Roja mit einem schönen Strand, hinter uns der Horizont (wie wunderbar) und zur anderen Seite der Flughafen, eine lange Zeile von Reihenhäusern sowie undefinierbar lange Mauern, hinter denen sich Treibhäuser verstecken  wie wir später sehen. Dahinter erhebt sich in der Ferne die Vulkanberglandschaft und der Teide (mit über 3700 Metern höchster Berg Spaniens). Morgens sehen wir die langgestreckten Bergkonturen gut, mittags verschwinden sie in den Wolken und später schauen die Gipfel wieder heraus.

 Teide

Gleich nach dem Frühstück fahren wir mit dem Schlauchboot zum Strand und nach knapp 300 Metern Fußweg sind wir bei unserem „Briefkasten“, dem Trans Ocean Stützpunkt Teneriffa Süd, bei dem Post auf uns wartet. Ohne es vorher zu wissen, haben wir direkt vor der Haustür von Michael Pajonk (TO) geankert, wie wir bei unserem Anruf erfahren. Dichter geht’s nicht. Die neue SIM-Karte für Jens deutsches Handy ist da – endlich wieder Kontakt und erreichbar. Und überraschend ein Päckchen von Renate mit Aachener Printen als vorweihnachtlichen Gruß aus der Heimat – lecker!

Wir genießen das Leben in der Natur mit Sonnenauf-und Untergängen, gehen von Bord schwimmen und besteigen den Montaña Roja, um unsere Ankerbucht von oben zu sehen. Während die Jungs von der Kira beim Anlanden mit dem Schlauchboot am Strand gleich beim ersten Mal Pech haben und unfreiwillig baden, klappt es bei uns sehr gut.

Am dritten Tag sind wir zum Einkaufen und Internet im nächsten Dorf, El Médano. Zurück kommen wir erst im Dunkeln, auch wenn der Rückweg bei Tageslicht gedacht war. Das ist jedoch schon um 18.30 Uhr vorbei. Also gehen wir noch einen leckeren Fisch essen und ein Mojito kostet nur 2,50 € (nein, jeder nur einen:-)).

 Ankerbucht Playa Tejita

Um 22 Uhr mit fast Vollmond und Flutlicht vom Flughafen stehen wir am Strand unserer Ankerbucht. Sorgsam beobachten wir die brechenden Wellen am Strand, bevor wir das Schlauchboot ins Wasser setzten: Boot anschieben, ich springe hinein, ran an die Paddel, Jens schiebt an und dann wird´s Dunkel und patsch nass. Eine brechende Welle mit schwarzer Sandlawine hat uns voll erwischt. Das Boot hat sich überschlagen, alles ist raus. Die wichtigsten und empfindlichen Dinge, unsere Mobiles, Fotoapparate und Notebook sind im wasserdichten Rucksack auf Jens Rücken. Im kleinen Rucksack auf meinem Rücken ist Obst und Gemüse unseres Einkaufs. Unsere Schuhe sind am Boot angeseilt, selbst unsere ungesicherten Paddel bekommen wir schnell zu fassen. Aber wo sind unsere Roller? Nach kurzem Suchen entdecke ich sie zwischen den Wellen und kann sie retten. Alles wieder beieinander – Gott sei Dank!

Nun hat´s uns auch mal erwischt, aber das Wasser hat 23 Grad und so frieren wir wenigstens nicht. Wir sind nicht zimperlich und außerdem wollen wir ‚nach Hause‘. Also versuchen wir es gleich noch einmal.

unser Schlauchboot

Wir stehen im nassen Hemd am dunklen Strand und halten erneut Ausschau nach einer passenden Ruhephase zwischen den größeren sich brechenden Wellen. Rein ins Boot und los. Ich sitze wieder an den Rudern, mit dem Rücken zur See, Jens feuert mich an, doch so schnell kriege ich die Ruder nicht richtig zu fassen. Da bricht die nächste, noch gewaltigere Welle über uns herein. Das Schlauchboot macht einen Salto vorwärts und ich darunter. Wasser und Sand schleudern mich auf den Boden, langsam (wie es mir scheint) komme ich wieder an die Oberfläche, doch das Schlauchboot ist über mir. Ich drücke es nach oben, bekomme Luft. Jens versucht das Schlauchboot umzudrehen, endlich gelingt es und ich bin aus meiner Orientierungslosigkeit befreit. Froh, dem Wasser entkommen zu sein, spüle ich  pfundweise Sand aus Unterhose und T-Shirt heraus, bin etwas benommen. Wir sortieren uns, suchen nach unseren Sachen: meinen Rucksack hat´s mir vom Rücken gerissen, Jens kriegt ihn zu fassen, ebenso die Paddel. Wo sind die Roller – diesmal finden wir nur einen. Verdammt, was haben diese Wellen für eine gewaltige Kraft.
Der dritte Versuch gelingt endlich und wir kommen, nun doch schon etwas frierend, endlich zum Schiff. Das nasse und total versandete Gepäck ins Cockpit, raus aus den Klamotten,  trockene Handtücher her und erst mal schwimmen, denn ich bin von Kopf bis Fuß voll schwarzem Sand. Wie schön vom Schiff aus in dem klaren Wasser zu schwimmen. Anschließend freuen wir uns noch über eine kalte Süßwasserdusche aus dem Wassersack auf dem Vordeck. Als wir dann endlich trocken mit nem Schnaps unter Deck sitzen ist es bereits nach Mitternacht. Unser wasserdichter Rucksack hat sich beim ersten Härtetest bestens bewährt. Absolut alles da drinnen ist trocken geblieben!

 

Die Roller sind heiß geliebt und unser wichtigstes, sehr nützliches Fortbewegungsmittel an Land. Der Verlust eines Rollers schmerzt und so machen wir uns früh am nächsten Morgen am Strand auf die Suche, aber leider ergebnislos. Nach einem stärkenden Frühstück rudern wir die 30m rüber zu unseren Nachbarn auf der SY Kira um Schnorchelhilfe anzufragen. Oje!! Unversehens geraten wir in eine feuchtfröhliche Karnevalsfeier – es ist der 11.11.2011, 11Uhr 11 und mit Verkleidung, deutscher Karnevalsmusik, Gesang, Wein und Bier …   

11.11.2011 nach 11.11Uhr

Nachmittags (die Kira ist nun weg und auf dem Weg nach Santa Cruz) fahren wir dann nochmal mit dem Schlauchboot bis an die Brandung heran und suchen seewärts. Jens taucht mit Brille und Schnorchel (wir haben uns die Stelle gemerkt) und nach 10 Minuten sehe ich ihn strahlen: Roller auf 2 Meter Tiefe gefunden!!  Es ist bedeckt und zunehmend ungemütlich, und wir verziehen uns in die nur 2 sm entfernte Marina San Miguel, denn der Wind soll auf West drehen.

Super - Roller gefunden !

 

Am nächsten Tag kommen die salzwassernassen Klamotten erst mal in die Waschmaschine. Im geschäftigen Samstagnachmittag Treiben des Hafens, zerlegt Jens die Roller auf dem Vordeck in ihre Einzelteile, denn da bewegte sich nix mehr. Gemeinsam befreien wir sie von Sand und Salz und frisch gefettet und geölt rennen sie abends wieder wie neu. Glücklich unternehmen wir eine Testfahrt zur Hafenbar mit Internet.

Ganz nebenbei haben wir über die Empfehlung unseres Nachbarn ein Auto gemietet, dass mit 10 Euro pro Tag so günstig ist, dass wir es gleich für drei Tage buchen. Wunderbar, mit einem Auto „vor der Tür“ kehrt eine entspannte Situation ein, wie sie zu Hause ganz alltäglich war.

Gleich am Sonntagmorgen fahren wir nach Santa Cruz, um uns von Armin, Lutz und ihrem neuen Mitsegler Schmiddi zu verabschieden. Die SY Jaqueline (aus Großenbrode) läuft um 11.30 Uhr aus. Sie ist nun das 1. der uns vertrauten Schiffe, das zu den Kap Verden und zur Atlantiküberquerung in die Karibik aufbricht und wir werden sie auf unserer Reise wohl nicht mehr wiedertreffen.

Armin, Schmiddi und Lutz auf der Jaqueline
Wir haben noch einige Vorbereitungen für die große Fahrt vor uns. Schiffsausrüster, neue Kamera-Akkus und Verproviantierung stehen am Montag auf dem Programm und so fahren wir erneut nach Santa Cruz. Während Jens bei der Einfahrt in die Stadt eine riesengroße Ketsch neu im Hafen auffällt, habe ich nur Augen für den daneben liegenden kleineren Dreimaster. Im Vorbeifahren lese ich Heimathafen „Kiel“! Jetzt werde ich ein wenig nervös – sollte das die Thor Heyerdahl sein? Meine Vermutung bestätigt sich – ja sie ist´s! Nach 28 Jahren sehe ich hier auf den Kanaren diesen Großsegler (3-Mast-Toppsegelschoner) wieder auf dem ich 1983 zum ersten Mal über den Atlantik segelte. Kann doch nicht wahr sein!

 Die Thor Heyerdahl in Santa Cruz de Tenerife

Natürlich will auch Jens das Schiff sehen und so fahren wir nach diversen Erledigungen endlich hin. Wir kommen passend zu einem fröhlichen Treiben mit vielen jungen Leuten, Sekt und Partystimmung. Noch ehe ich´s merke stehen wir vor dem Kapitän „na wir haben uns auch schon mal gesehen“ sagt er, ich schaue verdutzt und Jens fragt nach seinem Namen. Detlef – ja, mein damaliger Kapitän und Schiffseigener! Ohne Bart, die Haare drastisch gekürzt und ein wenig gewichtiger – nicht sofort wiederzuerkennen. Meine Freude über das Wiedersehen ist riesig – was für ein Zufall! Wir erzählen und hören, was alles geschehen ist.

Auch wenn das Schiff heute ein kompletter Nachbau ist, beim Rundgang mit Jens erinnere ich gut den Geruch des Maschinenraumes (die Maschine zählt zu dem wenig Originalem, was erhalten ist). Und das stolze Gefühl, dass ich hatte, als ich am 1. Tag der Reise auf dem erhöhten Achterdeck stehend, das 50 Meter lange Schiff durch den Nord-Ostsee-Kanal steuern durfte.

Heute ist die Thor Heyerdahl mit 32 Schülern (10.Klasse) und dem Projekt „Klassenzimmer unter Segeln“ (www.kus-projekt.de) unterwegs . Die jungen Leute an Bord sind 10 Jahre jünger als ich damals war. 6 Monate Schule auf See, harte Bedingungen, denn neben Unterricht auf See gibt’s alle seemännischen Aufgaben zu erlernen und erledigen. Santa Cruz de Tenerife ist erst der dritte Hafen auf ihrer Reise, hier bleiben sie aber auch nur 4 Tage, dann geht’s weiter in die Karibik und nach Panama.

 

Wir sind noch immer mit Vorbereitungen beschäftigt. Wir brauchen noch einen neuen Spibaumbeschlag, Batterien… wenn das erledigt ist, geht´s  rüber nach La Gomera.

One Response to “10. Bericht: Kanaren (2) Teneriffa (1. – 16.11.11)”

  1. Anja und Anna sagt:

    Anna und ich haben gerade bei einem gemeinsamen netten Frühstück euren spannenden 10.Bericht gelesen. Falls du Ariane jetzt einen Traumatherapeuten brauchst bzgl. Orientierungslosigkeit unter Wasser, er ist zu buchen und kann eingeflogen werden! 😉
    Das ihr die Thor Heyerdahl getroffen habt ist ja toll!
    Bezüglich der Aachener Printen von Renate kann ich nur bestätigen, ich esse sie auch nach und nach alleine auf – lecker!
    Wir hoffen, ihr kommt mit euren Vorbereitungen gut voran!
    Liebe Grüße Anja und Anna