12. Bericht: Über den Atlantik zu den Kap Verden (6.-12.12.2011)

Am 6. Dezember denken wir nicht an Nikolaus. Wir verabschieden uns auf La Gomera im Hafen von San Sebastian von Silke und Dieter, die mit ihrer SY Tamora ein paar Tage später zu den Kap Verden aufbrechen wollen. Außerdem gibt es noch neue Bekanntschaften. Wir lernten zwei Yachten unter holländischer Flagge kennen, die gleichzeitig zu den Kap Verden wollen. Jens nimmt Kontakt auf. Während die Abfahrt der SY Pinta wegen allerlei Kleinigkeiten dann doch noch ungewiss ist, verlässt die SY Argo eine Stunde vor uns den Hafen. Jens verabredet mit Ton von der SY Argo in Funkkontakt zu bleiben. Wir sind gespannt, wie lange das funktioniert.
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Am Vortag hatten wir noch Besuch von Sabine und Thomas aus Hagen, die uns Päckchen aus der Heimat überbracht haben. Wir trafen uns am Kai, um die 17 Ruderboote der härtesten Ruderregatta der Welt, von Gomera über den Atlantik nach Barbados, mit zu verabschieden, dann ging´s zu uns an Bord. Da erlebten unsere Gäste die Chiloë noch voll in den Vorbereitungen: Kontrolle der Windpilot Selbststeueranlage, Wassertanks auffüllen, Motorcheck (Öl, Keilriemen etc.), Frikadellen braten, Soleier einlegen, letzte Obst und Gemüseeinkäufe verstauen. Sie wurden dann auch gleich zur Mitarbeit herangezogen.

Dienstag (6.12.) um 12 Uhr sind wir fertig und legen ab. Zunächst motoren wir, da der Wind nicht wie angesagt aus Ost, sondern aus Süd kommt, aber zum Glück sind das nur lokale Wettereinflüsse (Thermik) die nach drei Stunden aufhören. Wir stellen den Motor ab und segeln mit gerefftem Großsegel und der Genua (Vorsegel) bei 4-5 Beaufort aus Südost, zur Abwechslung mal Am Wind, auf 210° gen Süden. Die See ist chaotisch hinter den Inseln und nicht sehr angenehm.

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Über Funk hören wir die SY Argo mit einem Ruderboot sprechen. Oh – diese kleinen, im Ozean schwer erkennbaren Boote sind doch noch nicht so weit wie wir dachten. Um 18 Uhr haben wir auch Eines auf unserem AIS Radar – nur 2 sm entfernt. Vom elektronischen Radarempfänger gewarnt, suchen wir in entsprechender südwestlicher Richtung nach dem Ruderboot – und entdecken es schließlich, nur noch ca. 500 m entfernt, zwischen den drei Meter hohen Wellen. Es ist die Go Commando (GBR), ein Einer-Ruderboot (zwei Mann Besatzung, einer rudert während der andere schläft). Wir sprechen sie über Funk an und Jens fragt, ob wir etwas für sie tun können. „ Yes, could you please set this boat on land“. Die Männer sind seekrank, in der ersten Nacht hatten sie den Treibanker ausgebracht, um zu Schlafen und sich ein bisschen Erholung von der endlosen Schaukelei zu gönnen. Wir gehen bis auf 20 Meter ran und drehen bei, um kurz mit ihnen sprechen zu können. Der zweite Mann steckt seinen Kopf aus der Minikajüte, um uns zu winken. 30 Stunden sind sie unterwegs, bisher haben sie gerademal 30 sm geschafft von 2550! Bei zunehmendem Wind segeln wir weiter in unsere erste Nacht, ich denke immer wieder an diese Begegnung – unvorstellbar, 2 Monate nur Rudern und Schlafen. Auch für uns ist die See etwas rauh und mir nicht sehr bekömmlich, Tabletten und Schlaf helfen.

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Mit 5-6 Windstärken segeln wir den ganzen zweiten Tag mit rauschender Fahrt voran. Das dauerhafte Rollen bei 3-4 Meter hohen Wellen lässt alle Aktivitäten zur akrobatischen Übung werden. Besondere Herausforderung ist das Kochen, das Jens glücklicherweise übernimmt. Von 18 bis 9 Uhr gehen wir unsere Wachen, abwechselnd im 3 Stunden-Takt. Wir haben einen seefesten Schlafplatz mit Leesegel (Leebrett in diesem Fall) im Salon eingerichtet (rausfallen nicht möglich!).

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Am dritten Tag lässt der Wind etwas nach und es kehrt Ruhe und Alltag ein. Wir frühstücken gemütlich am Cockpittisch mit frisch gepresstem Orangensaft und Solei. Es kommt mir vor als säßen wir in der Kulisse eines Filmstudios und das Meer wäre ein Playbackfilm im Hintergrund. Doch Spülen und Hausputz sind sehr real. Der Funkkontakt mit der SY Argo funktioniert, zweimal täglich tauschen wir uns über unsere Positionen, die Wetterlage und unser Befinden aus (Ton ist in der ersten Nacht gestürzt und hat sich eine Rippe geprellt). Am 4. Tag meldet sich auf unseren Funkruf zur SY Argo die SY Kira  – unglaublich, sie sind doch längst auf den Kap Verden (jetzt gerade unterwegs von Sal nach Mindelo) – wir hören sie dank einer Überreichweite aus 400 sm Entfernung über UKW-Funk klar und deutlich! Wir tauschen unsere Positionen aus, und bekommen auch von ihnen einen Wetterbericht frisch aus dem Internet (per Relay zur SY Rancho Relaxo, die noch in Palmeira ist). Der interessiert uns besonders, da Starkwind auf uns zukommt.

5. Tag auf See. Aus dem Logbuch (Jens): „04.45 Uhr … es brist auf. Zum ersten Mal läuft Chiloë aus dem Ruder, der elektrische Autopilot schafft das nicht mehr. Ich rolle ein Reff in die Genua, das Groß hat das erste Reff schon seit dem Abend drin, und so läuft es wieder prima. Die Windfahnensteuerung ist für diesen Kurs und Wind besser geeignet, also wechsle ich. Mit rauschender Fahrt, wie ein D-Zug durch die mondhelle Nacht pflügen wir durchs Meer. Schmetterlingsegeln mit ausgebaumter Genua, Wind und Wellen von achtern – so macht Segeln Spaß! Aber der Luftdruck fällt beständig, der Wind nimmt zu, wieviel noch? Aufgrund des angesagten Starkwindes mit hohem Seegang haben wir den Kurs geändert auf Sal. Das liegt 120 sm weiter östlich (da ist weniger Wind und Welle angesagt) und 45 sm näher. Vielleicht können wir Montag noch im Hellen dort sein und so eine unangenehme Nachtfahrt sparen.“

Schade, wenn wir unsere Freunde von der SY Rancho Relaxo und der SY Kira dadurch möglicherweise in Mindelo auf Sao Vicente nicht mehr sehen, doch gute seemannschaftliche Gründe sprechen dagegen. Auch die SY Argo hat ihren Kurs dahingehend geändert.  

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„Dann die letzte Nacht auf See, der Wind hat stark nachgelassen und wir schieben mit dem Motor mit (Motorsegeln ‚platt vor dem Laken‘). Inklusive 0,5 kn Schiebestrom ergibt das 6 kn über Grund und das brauchen wir, wenn wir im Hellen auf Sal ankommen wollen. Tagsüber dann endlich perfektes ‚Passatsegeln‘: Wind 4-5 Bft schräg von achtern (Backstagsbrise), runde Wellenbuckel bis ca. 3 m und dann kommt auch noch die Sonne raus! Die ersten fliegenden Fische fliegen vorbei und zwei landen auch auf dem Vordeck (die reichen aber noch nicht für die Pfanne). Wenn es so bliebe könnten wir einfach immer weitersegeln J

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Es ist sehr diesig geworden, gelber Staub aus der Sahara kommt mit dem Wind und setzt sich überall auf dem Schiff (in Luv) ab. Vor allem an den Leinen kann man das sehen (Schoten, Fallen, Bullenstander), die an nur einer Seite braun werden. Lange suchen wir schon mit den Augen den Horizont ab, bis schließlich, erst 4 sm vor der Küste, Land in Sicht kommt. Sehr angenehm und entspannt heutzutage mit GPS und elektronischen Seekarten genau zu wissen wo man ist (ja, Papierkarte liegt auch auf dem Tisch, mit Kreuzchen alle 6 Std). Wir haben es geschafft! Um 17 Uhr fällt der Anker im Hafen von Palmeira nach 6 Tagen und 5 Std auf See, mit 760 sm unsere bisher längste Strecke. Die SY Argo ist 8 Stunden vor uns eingetroffen. Sie ist ein viel größeres Schiff (Wauquiez 45, 14 m lang) und dafür haben wir sehr gut mitgehalten. Die Funkverbindungen haben gut geklappt, teilweise über mehr als 40 sm. Es ist doch ein gutes Gefühl, wenn man noch ein anderes Schiff in der Nähe und in einer ähnlichen Situation weiß.

Trotz alledem, so ein Törn ist ganz schön anstrengend und wir fallen erstmal für 12 Std in die Koje. Die Kap Verden werden wir dann ab Morgen entdecken.

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2 Responses to “12. Bericht: Über den Atlantik zu den Kap Verden (6.-12.12.2011)”

  1. Ralph Göbelsmann sagt:

    Ahoy Ariane,
    während Angela Lilians Kinder mit einer Gutenachtgeschichte ins Bett bringt-Du siehst, wir haben
    Besuch.,Lilian übrigens mit ihrem neuen Partner, sie ist im Begriff sich von Markus zu trennen- da habe ich das Bedürfnis Dir für Deine interessanten Berichte zu danken.
    Es ist ja schon sagenhaft wieviel Leute Ihr auf Eurer Fahrt
    kennenlernt. Aber das Gleiche hörte ich von meinem frz.
    Freund der vor 4 Jahren von einer 18-monatigen Weltumseglung zurückgekommen war. (viel zu schnell seine
    Reise fand ich) Aber er hatte auch den schnellsten frz.
    46 Fuss Katamaran.So wie Ihr das macht finde ich es schon
    viel besser.Nur die Ruhe.Aber arme Ariane, wenn Du nach dem einen Jahr wieder in den Beruf zurückmusst.
    Wir hatten hier ruhige Weihnachten – und so wird auch Silvester werden, hier sind keine Böller üblich – in dem 170 Seelen -Dorf in welchem wir wohnen sowieso nicht.
    Das Wetter hier : seit Tagen schon wolkenlos, morgens um Null, tagsüber um die zehn Grad.
    Ich geniesse all Deine Berichte, auch die Photos natürlich.Hoffe Ihr habt bald günstige Winde für die Überfahrt.Bin gespannt, wie es weitergeht.

  2. Ingrid Bachmann sagt:

    Liebe Chiloee-Crew,
    wir verfolgen eure Berichte mit großem Interesse. Freut uns, dass ihr gut auf den Kap Verden angekommen seid. Wir wünschen euch ein schönes Weihnachtsfest, wo immer ihr euch gerade aufhaltet, ein gutes neues Jahr und vor allem weiterhin einen problemlosen Törn.
    Liebe Grüße von Ingrid und Dieter, euren Großenbroder Nachbarn.