26. Bericht: Ubatuba bis Pinheiro (3.- 14.5.12)

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Donnerstag (3.5.) kurz vor sieben gehen wir Anker auf in Ubatuba, unser Ziel ist Florianópolis, ein weiterer Meilenstein 340 Meilen weiter auf unserem Weg nach Süden. Die ersten zehn Stunden haben wir nur schwachen Wind aus Nordwest, danach setzt ein guter Wind (4-5Bft.) aus Südost ein und wir können endlich ohne Motor segeln. Eine erste Schauerböe am Abend bringt Regen, den Jens noch nur mit Öljacke und nackten Beinen abwettert. Ich dagegen trete meine Wache um Mitternacht seit Monaten zum ersten Mal mit vollem Ölzeug an. Die Nacht ist feucht und dunkel, mit verhangenem Himmel.

Morgens (4.5.) um 6 schläft der Wind ein und wir motoren wieder. Wir versuchen den kleinsten Mittagswind zu nutzten, doch er reicht nicht, die Segel schlagen und voran kommen wir nur mit Motor. Lief der Motor am ersten Tag acht Stunden, sind es am zweiten Tag schon doppelt so viele. In der zweiten Nacht haben wir einen wunderbar klaren Sternenhimmel, aber leider auch totale Windstille.

In den frühen Morgenstunden (5.5.) versackt der Motor plötzlich, verliert Drehzahl, es klingt als nähme jemand das Gas weg, aber niemand hat den Gashebel berührt. Und dann oh Schreck – geht er aus. Stille und das 70sm vor der Küste. Jens hört es schon im (Halb)Schlaf und steht auf. Statt Freiwache und Schlafen ist jetzt Motorreparatur angesagt. Wo liegt der Fehler? Ruhig und überlegt checkt er mögliche Ursachen. Filter verstopft? Nein, der sieht gut aus. Luft in der Leitung? Ja, beim Entlüften stellt er fest, dass die Entlüftungsschraube auf dem Kraftstofffilter nicht mehr richtig fest ist. Wir entlüften die Leitung und nach einer halben Stunde läuft der Motor wieder, zum Glück! Dann mittags, 40 sm vor der Küste, geht er wieder aus. Wir entlüften wieder, doch diesmal reißt die Schraube ab, oh je, was nun. Jens klebt sie mit loctite wieder ein und der Motor läuft wieder! Doch wie lange hält er diesmal durch? Immer wieder lässt die Drehzahl nach. Wir beschließen den nächstmöglichen Hafen anzulaufen. In Porto Belo kann man im Dunkeln und im Zweifelsfall auch ohne Motor einlaufen, eine große Bucht ohne Felsen und Untiefen.

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Nachts um zwei (6.5.) haben wir es dann geschafft, zwischen einigen Fischerbooten fällt der Anker. Noch knapp 40sm bis Florianópolis, aber 300 Seemeilen haben wir immerhin geschafft, mit  52 Motorstunden und nur 17 Stunden unter Segeln, so´ne Flaute. 

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Am Montag (7.5.) fahren zum Tanken in die Marina, viele teure Motoryachten und einige große brasilianische Segelyachten liegen fest verpackt zum Überwintern. Für uns gibt’s hier keinen Platz. Als Gast dürfen wir jedoch eine Nacht kostenfrei an der Außenseite des Steges festmachen. Das vereinfacht den notwendigen Besuch eines Mechanikers. Die hilfsbereite Dame im Büro der Marina telefoniert und  kaum 30 Minuten später war er an Bord. Am nächsten Tag brachte er eine passende Entlüftungsschraube, die mit loctite geklebte nehmen wir lieber nur als Ersatz. Außerdem füllen wir hier unsere Wassertanks auf und wir nutzen `Wasser satt´ für einen großen Hausputz (alle Bodenbretter werden ausgebaut und auf dem Steg geschrubbt).

Ein norwegischer Einhandsegler, der neben uns ankert und ähnliche Probleme mit seinem Motor hat, hilft Jens vormittags beim Ausbohren der alten abgebrochenen Schraube. Anschließend wurden noch fast alle Schlauchschellen der Dieselleitung verdoppelt und nachgezogen (eine an der Dieselpumpe war auch etwas locker), die Dieselpumpe ausgebaut, getestet und für o.k. befunden und dann die neue Schraube eingesetzt und entlüftet. Der Motor läuft danach wieder. Eine andere Ursache könnte ein zu leerer Tank gewesen sein, er fasst angeblich 110 Liter und wir haben immerhin 90 Liter getankt. Wenn das Schiff dann in der Dünung heftig rollt, kann schon mal Luft in den Ansaugstutzen geraten. Das Thema beschäftigt uns einige Tage.

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Porto Belo hat nicht  viel zu bieten, aber der Ort hat ein wunderbares Café, Doña Maria, mit eigener Konditorei. Wir werden Stammgäste, wenn auch nur für drei Tage und kosten die super leckeren Torten durch, dazu den besten Cappuccino Brasiliens. Wir finden heraus, dass der Besitzer deutsche Vorfahren hat – na, da liegt es doch nahe, dass hier noch deutsche Backtraditionen in den Torten nachwirken.

Mit neuer Entlüftungsschraube und vollen Tanks machen wir uns am Donnerstag (10.5.) auf nach Florianópolis. Mittags können wir den Spinnaker setzen und machen prächtige Fahrt. Als der Wind weiter aufbrist und wir schließlich mit 7 Knoten zwischen Festland und der Ilha de Santa Catarina dahin rauschen, wird es höchste Zeit den Spi (ein Leichtwindsegel) zu bergen. Mit der Genua geht’s dann weiter vor dem Wind bis zu den Brücken.

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Die ältere aus den 20er Jahren ist mit ihren zwei 75m hohen Türmen die höchste Hängebrücke Brasiliens. Seit den 70er Jahren ist sie ungenutzt und eine neue 500 Meter lange Brücke führt vom Festland zur Insel herüber. Mit nur 17 Meter Durchfahrtshöhe ist die neuere Brücke eine Barriere für diverse Schiffe. Wir passen mit unserer Masthöhe von 15,30 Metern gut durch. Ist trotzdem spannend drunter her zu fahren, insbesondere bei Wind, starker Strömung und Gegenverkehr. Bei 5 Windstärken suchen wir uns direkt hinter der Brücke vor der (vollen) Marina einen Ankerplatz. Wir bleiben den Rest des Tages an Bord und machen es uns zum Sonnenuntergang mit Aussicht auf ein paar schöne Felsen gemütlich.  

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Freitag (11.5.) ziehen wir nach frühem Aufstehen los in die Stadt Florianópolis. Es ist noch einiges zu erledigen, vor unserer letzten größeren Etappe. Beim Schiffsausrüster in der Marina finden wir mit Glück ein passendes Stück Dieselleitung, kaufen Schlauchschellen und Petroleum.

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In der Stadt machen wir die übliche Runde: Internetshop für Wetterbericht und Emailcheck, Einkaufen und endlich finden wir auch eine lange gesuchte Schwimmleine, beim Fischereibedarf in der alten Markthalle. Unsere Ausrüstung wird immer vollständiger, aber sie wird nie komplett sein. Und wo ist hier ein Briefkasten? Na endlich kommen unsere Postkarten aus Parati auf den Weg. Zwischendrin ein leckeres Mittagessen in einem Bio-Kg-Restaurant, echt lecker!

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Samstag (12.5.) fahren wir weiter nach Pinheiro, früh um 06.30 Uhr, denn es soll Südwest-Wind (für uns Gegenwind) kommen, gehen wir Anker auf. Wir bedauern keine Zeit für einen Ausflug auf die Ilha de Santa Catarina zu haben, denn diese große Insel steht fast zur Hälfte unter Naturschutz und ihre über 40 Strände werden als paradiesisch gepriesen. Zum Glück haben wir ja schon ein paar paradiesische Inseln erlebt. Am Südausgang des Kanals kommt ein kräftiger Wind (4-5Bft.) auf, so dass wir schnell die Segel setzten und die letzten Meilen bis Pinheiro segeln. Wir kreuzen auf bis wir neben den Fischerbooten den Anker fallen lassen.

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Hier in der Bucht von Pinheiro ist es wunderbar. Wir liegen vor einem sehr schönen Strand mit Sanddünen auf 5m Wassertiefe, sind die einzige Segelyacht und haben eine herrlichen Rundumblick. Es ist noch früh am Tag (erst 11 Uhr) und so paddeln wir gleich an Land. Eine kleine Herausforderung  gegen 5-6 Bft. von vorne anzupaddeln. Aber geschafft und an einer etwas seichteren Stelle auch trocken angelandet. Seit eine Ruderdolle gebrochen ist,  paddeln wir immer zu zweit, jeder mit einem Stechpaddel. Wir tragen das Dinghi hoch über den breiten Strand und sichern es mit einem Stück Ankerkette an einem Laternenpfahl.

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Auch hier ist es zu merken, wir sind jetzt auf unserer Reise offensichtlich im Spätherbst angekommen. Die wenigen Strandlokale sind geschlossen und keine Touristen zu sehen. Der Strand ist Lebens- und Arbeitsraum der Fischer und ab und an fährt jemand mit seinem Fahrrad  am Wasser vorbei zur Stadt.

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Eine herrliche Atmosphäre: offene Fischerboote auf dem Strand und zwischen ihnen zahlreiche Holztische mit einem großen Loch in der Mitte. Scheint so, als ob hier der Fisch direkt ausgenommen und verkauft wird. Das sehen wir in diesen Tagen allerdings nie, die Fischer warten wohl ebenso wie wir auf besseres Wetter und sind mit Reparaturarbeiten beschäftigt.

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Im Internetshop am Ortsrand sind wir neben den spielenden Kids die einzigen Besucher. Wie schön, der Wetterbericht lässt auf passendes Wetter in der kommenden Woche hoffen.

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Das ist wichtig, denn vor uns liegt die ‚Biskaya’ des Südatlantik und wir brauchen jetzt ein Wetterfenster, dass uns mindestens 4 bis 5 Tage Wind aus nördlichen Richtungen verspricht. Auf einer Strecke von 350 sm, bis Rio Grande, gibt es keinen Hafen und keine Ankermöglichkeiten. Danach dann 200 sm bis La Paloma, dem ersten Hafen in Uruguay, noch mal dieselbe Geschichte.  Und zu dieser Jahreszeit kommt fast jede Woche eine Kaltfront mit Starkwind oder Sturm aus S – SW durch.  (Noch in Porto Belo hatte uns unser norwegischer Nachbar erzählt, dass er aufgrund des einsetzenden stürmischen Südwindes vor Rio Grande die gesamten 350 sm nach Porto Belo wieder zurücksegelte, weil er dort wegen seinem Motordefekt nicht einlaufen konnte). Auch der Cruising Pilot (Seehandbuch) macht mit seinen kurzen Zeilen zu diesem 550 sm (1000 km) langen Küstenabschnitt wenig Mut.

Zitat: “This is an hazardous coast as far as navigation is concerned. Haze and fog is not uncommon and the winds are also a big concern. The following pattern is observed: a NE flow starts weak and gain strength gradually, lasting 3-5 days. When strong and backing it announces the arrival of a PAMPEIRO; a sudden and very strong SW wind.

Sometimes after the SW blows, a strong SE wind called CARPINTEIRO comes. This can reach quickly gale force and rise a very rough sea while creating a dangerous inshore setting current that can be a real threat even to big ships, not to mention a small yacht!

Numerous yachts have been driven ashore by the CARPINTEIRO along the coast in the past years. It is recommended to set a course of 50 to 100 miles offshore to be safe.”

Nun ist es also vorbei mit den angenehmen Segelbedingungen in Brasilien. Der geneigte Segler mag sich vorstellen, dass des Skippers Schlaf in den frühen Morgenstunden etwas unruhig wird und sich eine innere Anspannung ausbreitet. Immer wieder werden diverse Wetterberichte verschiedenster Anbieter aus dem Internet runtergeladen und als wichtigstes Tagesgeschehen mehrfach von vorne und hinten studiert.

Als wir vom Strand und unserer kleinen Ortsbegehung zurück zum Dinghi kommen, spricht uns ein Mann an und erzählt lachend, dass sein Hund gut auf unser Dinghi aufgepasst hätte. Wir kommen mit Juarez, der aus dem geschlossenen Strandbistro nebenan kommt, ins Gespräch. Er erzählt uns, dass er Vorsitzender der Fischervereinigung ist, deutsche Großeltern hatte und einen Freund in Spanien hat. Im Sommer (November bis März) betreibt er mit seiner Frau das kleine Restaurant „Moby Dick“.

Um die Bedürfnisse von Seeleuten wissend, bietet er uns an Wasser zu nehmen oder sogar Wäsche bei ihm zu waschen. Und die Lady könne auch gern bei ihnen duschen. Wir freuen uns und nehmen die Einladung am nächsten Tag auf einen Kaffee wieder zu kommen gerne an.

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Bevor wir am Sonntag (13.5.) an Land paddeln, stehen erst einmal Arbeiten am Schiff an. Ich kurble Jens zur Riggkontrolle den Mast hoch, alle Wanten, Fallen, Terminals, Püttinge und das Achterstag werden geprüft, alles in Ordnung. 

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Unser Dinghi hat nun seinen festen und bewachten Platz an Juarez Laternenpfahl. Wir besuchen ihn und er weiß uns einiges über Wind und Wetter an der Küste hier zu erzählen. Er bestätigt den Abstand von 50-70 sm zur Küste, dort wäre auch die Strömung am günstigsten (läuft meistens mit dem Wind). Er spricht Spanisch, was unserem Verständnis sehr zugute kommt.

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Ich nutze die Open-Air-Dusche vor dem Haus. Mutig -denn die Sonne neigt sich schon und der Wind macht´s kühl- gehe ich dann im Bikini unter die kalte Dusche, die ganz witzig an ein senkrecht aufgestelltes Surfbrett montiert ist. Die Überwindung lohnt, frisch gewaschen fühlt sich einfach gut an und die Lust auf unsere Vordecksduschen hat in den letzten, immer kühler werdenden Tagen merklich abgenommen.

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Weitere Arbeiten am Schiff sind zu tun. Am Montag (14.5.) geht Jens tauchen, das Unterwasserschiff reinigen. Diesmal (im Gegensatz zu dem, was auf Ilha Grande runterkam) ist´s nur ein grüner Algenbewuchs, der etwas schneller zu entfernen ist. Ist auch gut so, das Wasser hat zwar noch rund 21 Grad,  aber nachts war es nur 12 Grad, die Luft ist kühl, und das Arbeiten im Wasser nicht mehr so angenehm. Neue Fockschoten werden eingeschoren und wir befestigen unsere neue 50m-Schwimmleine an Rettungskragen und Heckkorb, so dass im Notfall (wenn man den Rettungskragen dem Überbordgegangenen nachwirft) noch eine Leinenverbindung zum Schiff besteht.

Dann geht’s mit schmutziger Wäsche und Kanistern an Land. Während wir zur Tankstelle am Ortsrand Diesel kaufen gehen, steckt Juarez Frau unsere Wäsche in die Maschine. Die Beiden sind wirklich sehr freundlich und helfen ohne viele Worte. Mit bretonischen Butterkeksen und einem Faltblatt bedanken wir uns.

Das Wetter sieht gut aus! Für die ganze Woche wird kräftiger Wind aus NE vorhergesagt und so wollen wir Morgen früh auslaufen. Wenn das Wetter so stabil bleibt, fahren wir direkt nach La Paloma, wenn es sich ändert nach Rio Grande, mal sehen wie es läuft