Archive for Februar, 2012

16. Bericht: Die Atlantiküberquerung

Montag, Februar 20th, 2012

Dienstag 10. Januar 2012  Position: Brava, Cabo Verde

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Brava war sehr schön, wir blieben drei Tage und genossen es. Faja de Agua, der kleine Ort in unserer Ankerbucht, war sehr beschaulich. Frische Langusten wurden uns direkt am Ankerplatz angeboten – sie schmeckten köstlich!

 

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Zum zweiten Mal starten wir zur Atlantiküberquerung. Endlich mal ganz in Ruhe alles fertig machen und dann, nach dem Frühstück und zack 🙂 um 15 Uhr gehen wir Anker auf. Bei NE 5 Bft geht’s zügig los, dabei ist die Welle mit 1-2 m sehr moderat. Gegen Abend flaut der Wind etwas ab und es gibt nen Pastis als Sundowner und dann leckere, vorgekochte Kartoffelsuppe. Die Suppe verdanke ich der Tatsache, dass wir schon zu oft für die bevorstehende Atlantiküberquerung eingekauft hatten und jetzt in Brava, bei der wirklich letzten Einkaufsmöglichkeit, die bereits verbrauchten Frischwaren nicht mehr alle aufgefüllt haben.

 Ungläubig starren wir in das Gemüsefach und dann uns an: „Du willst doch nicht sagen, dass wir mit 5 kleinen, schrumpeligen Möhren über den Atlantik segeln??? Und das, wo wir gerade die optimale Lagerung von Möhren (z.B. in Sand gebettet) wochenlang getestet hatten. Möhren-Kürbissuppe mit Ingwer sollte es eigentlich geben, nun … ich liebe ja Kartoffelsuppe. Unsere erste Nacht auf See ist wunderschön, ruhige See bei 3 Bft und silbernem Mondschein schenkt uns dann die Hoffnung auf eine angenehme Reise.

 

Mittwoch 11. Januar (1. Seetag) / Position 13°43’N 25°36W (12 h UTC)

Um 8 Uhr morgens begegnet uns Platon, ein Containerfrachter auf dem Weg gen Europa. Der Wind hat weiter nachgelassen und wir setzen den Spi (Spinnaker, bauchiges Segel für leichten Wind) reißen dabei einen 30 cm langen Winkel ins Tuch und holen ihn schnell wieder runter. Wir sehen ihn durch und reparieren mit dem Tape gleich noch einige kritische Nahtstellen.

 

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Um 17 Uhr steht er dann endlich und ich springe gleich auf den Spibaum um die Perspektive von dort oben zu genießen.

Trotz unseres nun um 5 Tage verzögerten Aufbruchs, bleiben wir Teil der Kurzwellenfunkrunde Brasil-Net. Die anderen Yachten: Santana (NL), Betty Boop (NL), Sandpiper (GB), Ganesh (F) und die Argo (NL), mit der wir schon gemeinsam von La Gomera nach Sal unterwegs waren. Sie sind auch auf dem Weg nach Brasilien, uns jetzt allerdings schon 600 sm voraus.

Wir können Kurzwelle (KW) nur empfangen, nicht senden. Die SY Santana fungiert daher als Relaisstation. Wir senden ihr unsere Positionsmeldung per Sat-Telefon als sms und Trees oder Jon lesen sie dann über SSB (KW-Funk) vor. Von der SY Argo hören wir ab und zu den neuesten Wetterbericht, allein für unsere Position, sie sind als einzige auf dem Weg nach Surinam. Ich staune wie gut unser kleiner LOWE 150 SSB Empfänger funktioniert. Über die Achterstag-Antenne können wir die andern Schiffe über Distanzen von 600-1000 sm (fast 2000 km) gut empfangen. Es fühlt sich gut an, über diese ozeanische Funkrunde mit Menschen in ähnlicher Situation verbunden zu sein.

 

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Ein richtiges Wettercoaching macht mein Freund und Segler Martin. Alle 3 Tage rufen wir ihn über unser Satellitentelefon (I-satphone, inmarsat) an und bekommen die neueste Wetterberatung direkt aus dem Internet mit Kursempfehlungen: immer weiter nach Westen gehen, da sich ein Hoch mit Flaute von der afrikanischen Küste über den Atlantik schiebt. (Ein direktes downloaden der Gripfiles erwies sich als langwierig und damit sehr teuer).

Zudem sprechen wir gelegentlich mit Arianes Schwester Yara, die home management & service für uns macht und mit ihren Eltern.

Noch nicht genug der Kommunikation, gleich zwei französische Segelyachten starten am selben Tag von Brava in Richtung Brasilien. Die SY Horizons, ein 45 ft Katamaran entschwindet schnell außer Reichweite und Leon, ein Fotograf, alleine mit seiner SY La Matine unterwegs, folgt uns eine Stunde später. Da wir anfangs mit dem Spi schneller sind als er, entsteht ein Abstand von 100 sm, der relativ konstant bleibt, so ist er einen Tag hinter uns. Täglich tauschen wir die Mittagsposition und kleine Anekdoten unseres täglichen Bordlebens per sms (Sat-tel.) aus. Und dann meldet sich auch noch die SY Rufus II, Marion und Harald sind auf dem Weg in die Karibik. Wir fühlen uns total vernetzt, anstatt allein auf dem weiten Atlantik. Tja, so ist das heute…    

 

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Donnerstag 12. Januar (2. Seetag) / Position 12°20’N 25°49’W

Heute begegnet uns Socrates, scheinbar sind ne Menge griechische Philosophen auf dem Atlantik unterwegs, ich rufe über UKW-Funk an, aber die Besatzung ist russisch und das ‚philosophieren’ (in Englisch) fällt sehr kurz aus.

‚Lord Nelson’ hat seinen Dienst eingestellt (das ist unser elektrischer Autopilot) er hatte im Sturm vor Brava Salzwasser gezogen und war von Innen nass geworden, was die Elektronik gar nicht mag. Alle ‚Wiederbelebungsversuche’ scheitern. Wenn kein Wind ist, müssen wir nun von Hand steuern, so lange wir Wind haben, macht ‚Alma’, die Windpilot Pazifik (mechanische Windsteueranlage),das ganz prima.

 

Freitag 13. Januar (3. Seetag) / Position 10°54’N 26°15’W

Freitag der Dreizehnte schlägt zu und unser Haupt-GPS  gibt auf. Leider hängt unser AIS-Radar mit dem Warnalarm mit dran (Signalton, wenn andere Schiffe in die Nähe kommen) und so müssen wir nun selber Ausschau halten nach ’griechischen Philosophen’ und anderen Schiffen.

Zur Navigation nutzen wir ein Netbook mit GPS-mouse und dem Programm Open CPN, natürlich kommt aber trotzdem jeden Tag ein Kreuzchen (Position) in die papierne Seekarte. Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl als ich diese Seekarte (Übersegler) vom mittleren Atlantik  in Hamburg kaufte; ein bisschen stolz, ein bisschen  wagemutig, aber auch vorsichtig (nur nicht überheblich werden). Afrika und Brasilien und dazwischen viel Atlantik sind da drauf –  und jetzt sind wir unterwegs und Kreuzchen für Kreuzchen zieht sich unser Kurs über die weite weiße Fläche der Seekarte. 

 

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Ansonsten wird dieser 13.te ein wunderbarer Segeltag: Die ganze Nacht und den ganzen Tag steht der Spi. Erst als der Wind abends gegen 21 Uhr auf gut 4 Bft auffrischt, muss er runter – zu schnell. Der Spi fällt ins Wasser – wir fahren drüber – er fängt unterm Schiff Wasser wie ein Sack – zieht wie Harry bei 3-4 kn – hoffentlich kommt er nicht in die Schraube – schnell nach achtern und Leerlauf rein – dann werden wir auch langsamer und der Druck lässt nach – Stück für Stück ziehen wir ihn an Deck – uff, geschafft! Fazit: Ein paar Antifoulingflecken auf dem gelben Tuch, sonst ist´s heil geblieben. Allerdings das Tuch so viel Zug bekommen, dass eine Relingsstütze gebrochen und eine verbogen ist (daran war er  hängengeblieben). „ Na ja, dann habe ich ja wieder was zu tun…“

Zur Besänftigung kommt kurz darauf eine große Schule Delfine und begleitet uns 2 Std. lang durch die Nacht – alles wird gut!

 

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Samstag 14. Januar (4. Seetag) / Position 9°28’N 27°08’W

Alles wird gut – das GPS/AIS arbeitet wieder, entspannte Backstagsbrise (raumer Wind) 4 Bft und nur leichter Seegang. Wir haben uns jetzt nach 3 Tagen an den Wach- und Schlafrhythmus auf See gewöhnt. Wir leben den halben Tag im 3-Stunden Takt, von 21 bis  9 Uhr Utc. Wir haben im Salon eine Seekoje mit Leesegel eingerichtet. Gekocht wird am Spätnachmittag, sodass wir noch bei Tageslicht (ca.19.30 Uhr) essen können. Nachmittags gönnen wir uns eine Vordecks-Salzwasser-Dusche, mittels Eimer schöpfen wir Wasser aus dem Atlantik und schütten es uns über´n Kopf, Wiederholung so oft wie gewünscht.

 

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Sonntag 15. Januar (5. Seetag) / Position 8°09’N 28°00’W

‚Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen, sofern die Winde wehn…´ und das tun sie. Leicht und gemütlich ziehen wir mit 4 kn gen Süden und schlecken nachmittags selbstgemachte Himbeersahnetorte zum Kaffee.

 

Montag 16. Januar (6. Seetag) / Position 06°31’N 28°18’W

Langsam wird´s heiß, vor allem unter Deck geht das Thermometer Mittags gen 30°. Ariane backt Brot im Dampfdrucktopf, leider geht der Hefeteig nur wenig, so dass wir den Plan ändern und 2 Brötchen und 4 Pfannkuchen (schon wieder lecker) draus werden.

 

Dienstag 17. Januar (7. Seetag) / Position 5°40’N 28°30’W

Wir gleiten durch die Nacht, fast lautlos, gezogen vom großen ‚schwarzen’ Spi. Es ist ein bisschen wie schweben, fast unwirklich, surreal, aber schööön, zum Genießen. Ein Moment der Realität in unserer eigenen kleinen Welt auf dem großen Ozean wie eine ‚Zeitkapsel’, losgelöst vom ‚Rest der Welt’.

Wir leben an Bord nach UTC (Greenwich-Zeit = MEZ-1 Std, das machen die meisten Yachten, denn es vereinfacht die Navigation, das Wache gehen und das frühe Aufstehen. Ortszeit wäre schon MEZ -2 Std und in Brasilien MEZ -3 Std und wo ist die Zeitzone zu Ende, hier auf dem Meer? Also wir bleiben lieber in unserer ‚UTC-Kapsel’.

Übrigens – ohne Wellen ist der Ozean besonders groß und weit und wir gehen (nacheinander!) in der Mittagsflaute (nach dem Segel bergen) schwimmen im endlos blauen Meer, ein 4000 m tiefes ultramarin Blau.

 

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Mittwoch 18. Januar (8. Seetag) / Position 4°27’N 28°30’W

Regen! Die ersten Schauerböen (mehr Regen als Wind) treffen wir auf 4°30’N an. Wir haben die Kalmen erreicht. N-Wind, SE-Wind, kein Wind, NE-Wind, unser Etmal (zurückgelegte Strecke in 24 Std) schrumpft auf 58 sm.

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Donnerstag 19. Januar (9. Seetag) / Position 3°10’N 28°28’W

Mehr Regen – Ariane kommt nachts um 03.00 Uhr nass bis auf die Haut von ihrer Wache aus dem Cockpit. Undichte Stellen am Mastfuß tropfen in WC und ‚Flur’, die Kompassbeleuchtung fällt aus. Dieses ‚heimelige’ rote Licht und der schnelle Blick auf den  Kurs fehlen uns plötzlich sehr. GPS/AIS fällt wieder aus, Flurlicht hat Wackelkontakt (die Lampe ist voll Wasser gelaufen) – alles feucht. Linsensuppe mit der letzten Möhre (ja, wir waren echt sparsam) und der letzten frischen Petersilie tröstet uns von Innen.

Nachmittags ein Knall, die Diagonalverstrebung vom Windgeneratormast ist runtergefallen.    Eine Schraube hatte sich im Seegang gelöst und war weg. So etwas muss natürlich sofort repariert werden!

 

Freitag 20. Januar (10. Seetag) / Position 1°46’N 28°45’W

Kleiner Schauer, großer Schauer, Gewitter, Delfine (immer wieder eine große Freude).

 

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Das Bordleben wird langsam anstrengend, Feuchtigkeit breitet sich aus, alles wird klamm und ungemütlich. Essen kochen, spülen, navigieren, lesen, reparieren und zwischendurch der Versuch einige Sachen zu trocknen – der Tag geht schneller rum als man denkt!

 

Samstag 21. Januar (11. Seetag) / Position 0°24’N 29°15’

Heute schaffen wir es bis zum Äquator! Eine sehr unangenehme Kreuzsee aus NE und aus SE (von den beiden Passatwinden) läuft gegeneinander. In Verbindung mit wenig bis keinem Wind und dadurch schlapp, schlagenden Segeln wird der Tag sehr anstrengend. Heftige, abrupte und völlig unvorhersehbare Bewegungen des Schiffs werfen uns durchs Schiff.

‚Alma’ (Windpilot) hat Steuerprobleme, weil gar kein Wind mehr ist, und selbst unter Motor kommen wir irgendwie kaum voran. Keine 3 kn bei 1800 U/min (normal wären 4,5 kn).

Ich befürchte Seetang in der Schraube und tauche noch kurz vorm Dunkelwerden unters Schiff, um nachzusehen. Aber es ist alles o.k., muss wohl dieser komische Seegang sein.

Den ganzen Tag versuchen wir ‚per Anhalter’ mit den Schauerböen zu fahren, denn dort ist wenigstens etwas Wind. Anfangs gingen wir ihnen eher aus dem Weg.

 

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Um 20.50 Uhr UTC überqueren wir dann den Äquator auf der Länge 29°22,5’W. Ariane hat ein leckeres Äquatorbrot mit Nüssen und Rosinen im Dampfdrucktopf gebacken (wir haben leider keinen Backofen) und zur Feier des Tages gibt es ein Glas Sekt, auch für Neptun und sein Gefolge. Dieser scheint das aber für eine Einladung zu halten und steigt mit seinem Dreizack von achtern an Deck zwecks Äquatortaufe. Mit breitem Grinsen reißt er uns die Gläser aus der Hand und verfüttert unser Äquatorbrot an sein Gefolge, wir müssen statt dessen rohe Muscheln und Haifischflossen essen. Prustend und nach Luft ringend versuchen wir uns zu wehren, aber gegen die Äquatortaufe hat man keine Chance. Patschnass und voller stinkendem Seetang stehen wir im Cockpit, nachdem der ganze Zauber vorbei ist und begreifen: Nun erst haben wir den Äquator wirklich überquert…

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Zur Belohnung kommt 10 Minuten später ein leichter aber stetiger SE-Passat (Wind) auf.

 

Sonntag 22. Januar (12. Seetag) / Position 0°54’S 29°53’W

Nach manueller Eingabe einer neuen Startposition arbeitet unser GPS/AIS wieder.

Ein wunderbarer Sternenhimmel spannt sich nach Auflösung des letzten Schauers über uns auf. Voraus steht das Kreuz des Südens und achteraus der große Wagen und der Nordstern noch eben über der Kimm; wie passend!

Ariane bekommt Besuch während ihrer Wache, ein großer Seevogel landet auf dem Schwimmer der Markierungsboje auf dem Achterdeck. Langer Schnabel, weißes Häubchen, was für einer mag das sein? Nach einer halben Stunde Pause fliegt er weiter.

 

Montag 23. Januar (13. Seetag) / Position 2°36’S 30°58’W

Passatsegeln im Südatlantik, SSE 4-5 Bft, später 3-4 Bft, halber Wind und Sonne, wunderbar. Es ist richtig warm geworden, jedes Stück Stoff ist schon zu viel. Bei diesem Wetter genießen wir es auf See zu sein. Auf See ist die Chiloë wirklich eine einsame Insel und das Leben (ohne Starkwind) paradiesisch. 

 

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Dienstag 24. Januar (14. Seetag) / Position Fernando de Noronha 03°48’S 32°25W

Es ist nicht mehr weit. Erwartungsvoll blicken wir dem ersten Landfall in Brasilien entgegen. Wir sind zu schnell – so würden wir noch im Dunkeln an der felsigen Küste ankommen. 2 Reffs im Groß und 1 Reff in der Genua nützen fast nichts. Bei 5 Bft läuft Chiloë immer noch 5 kn, also die Genua ins 3. Reff auf Sturmfockgröße eingerollt, jau nun rollen wir mit 3,5 kn dem Ziel Fernando de Noronha entgegen.

Mit der Dämmerung tauchen die bizarren Konturen der felsigen Inselgruppe auf – LAND IN SICHT!  Da ist BRASILIEN; wir haben den Atlantik überquert!

 

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Zum Schluss noch etwas Statistik für Interessierte:

Dauer                          13 Tage 18 Std.

Distanz                        1224 sm

Bestes Etmal (24 Std)   124 sm

Geringstes Etmal           58 sm

Motor                           49 Std

Spinnaker                    58 Std            

 


17. Bericht: Brasilien (1) – Fernando de Noronha

Freitag, Februar 10th, 2012

 

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7.20h Land in Sicht! Fernando de Noronha, 280 km vor der Küste, ist unser erstes Ziel in Brasilien und was für eins! Das Archipel ist ein Naturreservat und gehört seit 10 Jahren zum Weltnaturerbe. Kleine vorgelagerte felsige Inseln und eine markant empor kragende Felsnase (300m hoch) auf der einzig bewohnten Insel  bannen unsere Blicke. Schöner kann der Landfall kaum sein. Und das ist auch gut so, denn wir fiebern dem festen Boden unter den Füssen keineswegs entgegen, die Seezeit genießen wir immer wieder sehr.

 

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Zwischen den zahlreichen Booten, die hier außerhalb des winzigen Hafens liegen, drehen wir ein paar Runden unter Motor bevor der Anker fällt. Die meisten Fischer- und Ausflugsboote sind an Muringbojen festgemacht,  nur 4 Segelschiffe ankern. Unsere Logge macht keine (Tiefen-)Angaben –   mal wieder passend, dieser Geräteausfall! Zum Glück sehen wir eine Segelcrew an Deck stehen und sie gibt uns die Wassertiefe an. Gut, 12 Meter, da können wir beruhigt den Anker fallen lassen und 40m Kette raus lassen. Um 9.30 (was Ortszeit 8.30 ist) liegen wir vor Anker.

Als erstes gibt’s ein gemütliches Frühstück mit handgepresstem Orangensaft (wie immer). Super  Panorama hier und der immer wieder beschriebene große Schwell an diesem Ankerplatz stört uns nach 14 Seetagen gar nicht, schließlich sind wir doch immer noch auf dem fast offenen Atlantik.  Schlauchboot aufpumpen, klar Schiff machen und dann geht’s an Land zum Einchecken und Geld besorgen.

Das Office zur Immigration befindet sich in einem kleinen Holzhaus direkt überm Hafen. Ein Raum mit zwei Tischen und drei alten Bürodrehstühlen steht offen, das Personal wird per Telefon informiert und kommt nach 10 min an. Zwei Männer der Policia Federal, „in T-Shirt, Bermudas und Schirmmützen, sehr relaxed und superfreundlich“ notiert Jens im Logbuch. Wir haben noch keine brasilianischen Real (die hiesige Währung), kein Problem, zahlen wir eben am Nachmittag. Einer von der Policia Federal spricht etwas englisch und bietet uns eine Mitfahrgelegenheit im Polizei-Pick-up zum Hauptort der Insel an. In diesem Dorf versuchen wir vergeblich Geld zu ziehen, die Automaten der Bank geben uns  keines, denn internationale Karten funktionieren nur an besonderen Geldautomaten.

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Die nächste Möglichkeit gibt’s am Flughafen, wir nehmen einen der halbstündig über die Insel fahrenden Busse  und am Flughafen klappt´s dann mit der Geldmaschine, puh!!! An brasilianische Währung  hatten wir vor unserer Abreise in Deutschland gar nicht gedacht, wäre aber angenehm  gewesen, denn so konnten wir nicht mal nen Wasser kaufen. Auf den Kap Verden war Euro noch eine Schattenwährung, das ist hier jetzt vorbei. Überraschend pralles Leben in der mini Flughafenhalle, es ist gerade Zeit für die An- und Abfahrt einer Maschine und entsprechend Betrieb. Zurück mit dem Bus, schauen wir uns die zwei Supermärkte der Insel an und kaufen Brot, Apfelsinen und sind froh genügend Vorräte an Bord zu haben. Ein bescheidenes Angebot und das zu teuren Preisen.


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Wir genießen es die letzten Kilometer zum Hafen zu Fuß zu laufen. Ich bin neugierig auf die kleine Kapelle, die einsam auf einem Hügel am Hafen steht. Während Jens zum Hafenmeister geht, um unsere Liegegebühren (für den Ankerplatz!) zu bezahlen, erklimme ich den Hügel. Die Kondition reicht gerade noch für den Hügel. Kaum bin ich ihn erklommen, bin ich schon mittendrin im Openair-Gottesdienst und der Prediger spricht mich freundlich an, lädt mich ein hinzukommen.  In dieser  ungezwungenen Atmosphäre drehen sich jetzt alle dem Sonnenuntergang zu, und einige, einschließlich der Pfarrer selbst beginnen zu fotografieren.

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Und während ich mich staunend und selbst fotografierend entferne, sagt Jemand im akzentfreien Deutsch zu mir „so was gibt’s nur in Brasilien!“ – allerdings! Das sagte ein Brasilianer, der in Augsburg aufgewachsen ist.

Am nächsten Morgen, während wir unser Frühstück zubereiten, sehen wir ein Segel am Horizont. Die SY La Matine naht, und wir sind gespannt Leon unseren Weggefährten der Atlantiküberquerung zu treffen. Wir hatten ihn auf Brava kurz vor unserer Abreise kennengelernt und nur 10 Minuten von Boot zu Boot mit ihm gesprochen. Jetzt sind wir neugierig auf diesen Leon, der uns täglich neben der Positionsangabe poetische Worte auf französisch simste.

In Erwartung seines Eintreffens ein Aufschrei von Jens – sein Fuß ist verbrüht! Nach vierzehn bewegten Seetagen, geschieht vor Anker, wovor wir uns immer in Acht nahmen. Nach dem Aufgießen unserer beiden Thermosteekannen stellt Jens die  Kannen wie immer verschlossen auf den Cockpitboden. Doch aus unerklärlichem Grund, dreht er einen Kannenverschluss wieder halb auf. Im Schwell kippt die Kanne um und der kochend heiße Tee läuft über seinen Fuß. Verdammt! Sofortmaßnahme kaltes Wasser, dann kommt unser Seadoc – Trainingswochenende und die Medizintasche zum Einsatz. Handschuhe, Desinfektionsspray, Skalpell, Fettsalbe, aluminiumbeschichtete Kompressen für Brandwunden – wir haben alles dabei. Jens flucht und ärgert sich maßlos über sich selbst und sieht seine Erkundung der Trauminsel schwinden.

Unsere Diagnose: Verbrennung 3. Grades, die Wunde ist knapp handtellergroß. Ich beginne meinen Einsatz. Nach gut einer Stunde ist der Fuß versorgt und verbunden.

Inzwischen hat Leon neben uns geankert und kommt mit seinem Dinghi zu uns herüber. Wir trinken gemeinsam Tee freuen, erzählen und freuen uns über die gelungene Atlantiküberquerung.

 

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Der Einhandsegler ist ausgeschlafen! Er hat nachts (einfach) geschlafen und seinem elektronischen Radar-Warnsystem die Wache überlassen.  Wir verbringen unseren Tag wie geplant mit einem Ausflug und das zu Dritt. Jens packt seinen Fuß zum Schutz gegen Wasser in eine  Plastiktüte und wir fahren an Land. Wie Leon müssen auch wir noch mal zur Hafenbude.  Die zwei netten Polizisten der Policia Federal kümmern sich heute um Leon, dann sind drei junge Männer der Capitania  gekommen und nochmals zwei Herren der Policia Militar, die uns eine Einweisung in den Naturschutz geben. Gar nicht verkehrt, denn es gibt hier einiges zu beachten: Nur einige spezielle Bereiche dürfen betreten werden, Verhalten gegenüber den Tieren, die hier zahlreich leben. Neben Echsen und großen Vögeln (z.B. Tölpel), leben hier etliche hundert Delfine in einer sehr reichen und intakten Unterwasserwelt. Die Inseln gelten als das brasilianische Galapagos und werden von vielen Tauchern besucht.  Daher zahlt man nicht nur fürs Schiff, sondern auch für die Personen (ca. 20 € pro Person und Tag). Nach zähen Verhandlungen, mit Tipps von zwei französischen  Seglern, die wir am Vorabend trafen hat Jens einen guten Gesamtpreis ausgehandelt. Nur 50 € pro Tag für einen Ankerplatz ohne Steg, Strom, Wasser oder gar Wifi.

Dann geht’s mit dem Bus nach Vila dos Remédios und von dort runter zum Strand. Unser Reiseführer gibt eine Wanderung an der Nordküste an, über gleich neun der schönsten Strände der Insel. Und das sollen zugleich die schönsten Strände Brasiliens sein, na wir sind gespannt.

 

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Türkisfarbenes Meer, langer weißer Sandstrand, kaum Menschen und unter Palmen eine kleine Bar! So hatten wir uns Brasilien vorgestellt – traumhaft!!

 Gleich an unserem ersten Strand, der Praia de Conceição, machen wir Pause. Nutzen den Schatten (bei ca. 33 Grad), bestellen kühles Bier und Leon, und ich laufen über den Strand ins Meer – angenehm, zum  ersten Mal im Meer in Brasilien!

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Das Wasser hat konstant 26 Grad, erst die Verdunstungskälte beim Rausgehen erfrischt kurzzeitig. Armer Jens – er war meist vor mir im Wasser, am liebsten schon vor dem Frühstück – nun sitzt er auf dem Trockenen, und das gleich für die nächsten Wochen. Doch wir freuen uns, dass er diese wahrhaftigen Traumstrände zumindest zu sehen bekommt und diese Wanderung überhaupt mitmachen kann.  Außerdem ist Leon ein witziger Unterhalter und die Ablenkung nach der Katastrophe auch eine gute Medizin.

 

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Wir laufen über eine Reihe von acht wunderbaren Stränden, mal kleinere, mal größere Buchten, zwischendrin müssen wir über ein paar Felsen am Fuß des Morro de Pico, dem 300m hohen Wahrzeichen der Insel klettern, um zum nächsten Strand zu kommen. Dort, an der Praia de Boldró finden ein menschenleeres paradiesisches kleines Lokal, niemand da. Leon nimmt ungeniert auf dem Korbsofa Platz und schmust mit der Katze und dem angeleinten Hündchen des Hauses.  

 

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Ein Gästezimmer mit Glasfront zum Strand gibt’s auch, das wäre unsere Traumpension. Aber wir haben unser Zuhause ja dabei und hören später, dass die Zimmerpreise auf der Insel regulär zwischen 100 und 300 Euro liegen.

 

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Die Wanderung endet nach einigen Pausen und Stunden an der Baia dos Porcos. Schweinebucht klingt nicht reizvoll und eigentlich hatte ich auf sie verzichten wollen. Jens und Leon bleiben auf dem Pfad kurz hinter der Felskuppe über die wir steigen müssen sitzen und bedeuten mir mich leise zu näheren. Sie sehen Schweine – Meerschweinchen! wie ich schnell identifiziere. Na klar, was für Schweine sollten es hier am Meer sonst sein. Irgendwo müssen diese Haustiere ja schließlich in der Natur zu finden sein. Doch damit hatte ich beim Lesen des Namens nun gar nicht gerechnet.

Die kleine felsige Bucht erweist sich bald als sehr tierreich. Hier gehen wir wie vor uns zwei andere Besucher (wir treffen hier nur brasilianische Touristen) schnorcheln. In der winzigen durch die Felsen geschützten Bucht finden sich allerlei Fische, leuchtend blau, grün, klein und groß (vielleicht 80 cm). Leon war weiter raus geschwommen als ich, wieder zurück macht er mich gerade mal 15 Meter vor dem Strand auf etwas aufmerksam. Wie toll, ich sehe eine Wasserschildkröte, etwa 60/70cm Durchmesser,  ich schnorchel direkt über ihr, während sie sich ganz langsam bewegt, nicht besonders scheu. Super –  ich bin glücklich endlich mal eine Wasserschildkröte gesehen zu haben! Auf den Kap Verden hatte ich sie verpasst und hier haben wir um sie zu sehen noch einen Strand auf der Ostseite für den Nachmittag geplant, weil dort der Hauptrevier der Schildkröten ist, die es hier in großer Artenvielfalt geben soll. Leon hatte aber hier schon zwei weitere gesehen und ein Rochen.

Während wir die Unterwasserwelt erkunden, teilt Jens den einzig schattigen Platz unter einem Baum mit einem nichtschwimmendem Brasilianer, dessen Frau neben uns schnorchelt. Das in Boston lebende brasilianische Paar macht hier Urlaub. Er hat Jens und uns die Mitnahme im Buggy, dem vergnüglichen Inselgefährt für Touristen angeboten, sehr praktisch und angenehm, denn der Fußmarsch über die Staubstraße zur nächsten Bushaltestelle ist unattraktiv und mühsam.

Außerdem erfährt  Jens, dass es der Traum aller Brasilianer ist, einmal nach Fernando de Noronha zu reisen und dass Viele lange dafür sparen. Wie gut, dass wir das nicht ausgelassen haben! Viele Segler meiden diese Insel, wegen der teuren Preise. Aber es lohnt sich und das Geld kommt der Umwelt zugute. Es ist wie so oft, Alle, die selbst hier waren schwärmen davon. 

Wir werden am Flughafen abgesetzt, von dort geht’s mit dem Bus zur geschützten Bucht an der Ostküste, der Baia de Sueste. Die ist vor allem für Taucher interessant, denn hier ist ein großes Revier der Schildkröten, von dem wir aber nichts zu sehen bekommen.

 

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Zum Abschluss dieses Tages und unseres Aufenthalts gönnen wir uns ein Abendessen im Restaurant Mergulhão, mit wunderbarem Blick nach Westen und über den Hafen gelegen, ist es modern und Lounge-mäßig gestaltet und hat zudem eine sehr attraktive Speisekarte. Als Aperitif gibt´s hier dann endlich den ersten Caipirinha, unser Welcome-Drink nach dem Atlantik. Vor dem Essen dusche ich im Restaurant, es gibt eine zum Meer hin offene Nische mit einem einfachen Wasserrohr ohne Duschkopf, aber mit sattem Wasserstrahl. Sie liegt recht unauffällig neben dem Kücheneingang, insbesondere fürs Personal gedacht. Eine weitere bemerkenswerte Dusche auf unserer Reise. Dort nehme ich im Bikini eine Süßwasserdusche, die gab´s auf dem Atlantik nur 2 Mal.  

Das Essen schmeckt so gut wie es aussieht. Fisch mit Kokosreis und Gemüse und ein brasilianischer Fleischtopf; ein Nachtisch für drei wäre ausreichend genug gewesen, meine ungezügelte Neugier auf Guayaba-Soufflé wird bestraft mit einer Portion, die ich nicht mal zur Hälfte essen kann, vom Schokoladenkuchen mit viel Vanilleeis bleibt dagegen nichts übrig.

Erfüllt von einem scheinbar endlosen Tag motoren wir mit dem Dinghi durch die mondlose Nacht wieder raus zur Chiloë. Nach einem Verbandswechsel, der uns zeigt, dass Jens Wunde den anstrengenden Ausflug offensichtlich gut  überstanden hat, fallen wir um 23h erschöpft und zufrieden in die Koje.  

Am nächsten Tag geht’s weiter nochmal zwei Seetage zum brasilianischen Festland.

 

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Kurzmeldung: Landfall in Brasilien

Samstag, Februar 4th, 2012

Wir sind angekommen! Nach 14 Seetagen auf Fernando de Noronha, d e r Trauminsel der Brasilianer. Nach zwei weiteren Seetagen haben wir am Samstag, den 28.1. Cabedelo und den Rio Paraiba erreicht und akklimatisieren uns hier. 35 Grad bringen uns schon heftig zum Schwitzen. Nachrichten aus dem tropischen Sommer folgen, hier geht jetzt alles etwas langsamer …

15. Bericht: unsere Atlantiküberquerung beginnt mit Sturm

Samstag, Februar 4th, 2012


Endlich mal richtig angenehm segeln, leichter Wind von achtern und kaum Welle – so richtig schöön!  Wir segeln in die untergehende Sonne, genießen einen Sundowner, leckere Frikadellen zum Abendessen und freuen uns auf die lange Seestrecke.

 

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Leider ist die Freude von kurzer Dauer, es brist auf und ich (Jens) fange an zu reffen. Um 22 Uhr bläst es schon mit 5-6 Bft eine halbe Stunde später mit 6-7 Bft. Beim Eindrehen des 2. Reffs verklemmt sich eine Segellatte des Großsegels im Großbaum, so dass dieses nun im 2. Reff blockiert ist (wenigstens die passende Größe). Um 23 Uhr ändern wir den Kurs von 200 Grad auf 170 Grad in Richtung Brava, die westlichste Insel der südlichen Kap Verden. Zumindest finden wir dort Schutz vor Wind und Welle um das verklemmte Großsegel bei Tageslicht zu befreien. Eine Option, die ich mir nicht durch den direkten Kurs nach Brasilien nehmen möchte, auch wenn es einen kleinen Umweg bedeutet. Gegen Morgen lässt der Wind dann nach, um 05 Uhr müssen wir sogar den Motor starten, die Segel schlagen, der Wind reicht nicht einmal mehr aus um sie bei diesem Seegang stabil zu halten. Mal sehen, vielleicht lässt sich das Groß doch noch auf See reparieren, wenn die Wellen sich etwas gelegt haben. Na ja, nachts lässt es sich ja ganz schön träumen… doch zum Frühstück gibt’s schon wieder Wind, schöne 5 Bft aus NE und wir rauschen wieder los mit 5-6 kn. Zum Mittag sind es 6-7 Bft und die Wellen wachsen, um 15 Uhr haben wir 7-8 (Böen bis 40 kn) und damit unseren ersten Sturm. Und der Wetterbericht sprach noch von 3-4 Bft..

 

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Die Wellen wachsen weiter, beeindruckende Wasserberge rauschen schräg  von achtern auf uns zu, wir schätzen die höchsten auf 4-5 m. Zum ersten Mal müssen wir unserer Windpilotin ‚Alma‘ (mechanische Selbststeueranlage) etwas unter die Arme greifen, denn sie kann die Wellen nicht kommen sehen. Chiloe verhält sich prima, wie gut ein so seetüchtiges Schiff zu haben, zu keiner Zeit kommen Angst oder Unsicherheit auf. Auch wenn gelegentlich grünes Wasser über Deck wäscht oder die brechenden Kämme der Wellen gegen die Bordwand knallen und uns warme Meerwasserduschen verpassen.   

 

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Mittlerweile sind wir sehr froh über unsere Kursänderung und freuen uns auf die Ankerbucht auf Brava, wir könnten es gerade vorm Dunkelwerden schaffen. Aber bis dahin haben wir noch alle Hände voll zu tun. Unter Deck, ein Knall, großes Geschepper – die Schiebetür unseres Pantryschrankes ist rausgeflogen und der Inhalt quer durchs Schiff – runterklettern, alles wieder einsammeln    beinahe alles drin, da kommt die nächste große Welle und alles fliegt mir wieder um die Ohren, diesmal bin ich mittendrin, konnte es aber nicht verhindern und diesmal ging ein Teller in tausend Stücke. Nun, so kommt jedenfalls keine Langeweile auf. Die anderen Teller werden erstmal in die Hundekoje gestopft, die Schranktür gesichert und die Scherben so gut es geht vom Boden und aus den Schuhen gepflückt und so weiter… Noch 3 Std bis Brava, wie schön, dass es da noch diese Insel gibt.

Ab 18 Uhr kommen wir in die Abdeckung von Brava, es wird schon viel besser und um 19 Uhr laufen wir in die Ankerbucht von Faja d‘ Agua ein. Beim dritten Versuch hält endlich der Anker und trotz Schwell, kommt uns der Ort paradiesisch ruhig vor. Nach leckeren Spaghetti Bolognese  schlafen wir erstmal richtig aus.

 

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Eine spektakuläre Kulisse umgibt uns am nächsten Morgen als die Sonne hinter einigen Palmen über die Felswand klettert. Wir haben ‚zufällig‘ einen wunderschönen Ankerplatz gefunden mit einem kleinen Dorf und von hohen Bergen umrahmt. Eigentlich hatten wir ja sowieso vorgehabt die südlichen Kap Verden zu besuchen. 

14. Bericht: Kap Verden – Weihnachten und Silvester auf Sao Vicente (19.12.2011-06.01.2012)

Samstag, Februar 4th, 2012

Der Wetterbericht war gut und so verlassen wir nach 6 Tagen am Sonntag Sal. Die 118sm nach Sao Vicente machen wir in nur 22 Stunden, doch die sind nicht besonders angenehm. Aufgewühlte See mit Schiffsschaukelei, die jedem Kirmesfahrgerät die Show stiehlt. Werde schnell seekrank und zudem traurig. Nach 6 Tagen sind wir gerade etwas eingelebt, die  Fischer grüßen schon mal, man weiß immer mehr von den anderen Ankerliegern und ein besonders intensiver Austausch war mit Marion und Harald unseren Nachbarn mit dem Katamaran Rufus II entstanden. Eine gemeinsame Wellenlänge und unkomplizierte, herzliche Nachbarschaft war entstanden, sodass wir nach 2 Tagen ein so vertrautes Gefühl hatten als würde man sich schon lange kennen. Mit der von Harald erworbene Aktivantenne hatten wir nach stundenlangen Installationsversuchen schließlich kostenfreien Internetzugang am  Ankerplatz. Damit hätten wir hier in aller Ruhe unsere Fotokalender für die Familie zu Weihnachten fertigstellen können. Aber irgendetwas trieb uns zur Weiterfahrt. Als wir nach 2 Stunden auf See feststellen, dass wir eigentlich noch gerne geblieben wären, wenden wir, doch der Gegenkurs war so nicht machbar. Also bei 4-5 Windstärken und chaotischer See segeln wir weiter nach Sao Vicente.

Mit Tageslicht segeln wir nördlich an San Nicolau und San Vicente vorbei. Begeistert genießen wir die spektakuläre Felsküste mit ihren vielfältigen und spannenden Konturen. 

Die Marina Mindelo ist der einzige Yachthaven auf den gesamten Kap Verden, immerhin ein Dutzend bewohnte Inseln. Nach 2 Wochen ohne, brauchen wir Wasser und Landstrom, um unsere Bordbatterie mal wieder richtig aufzuladen. Also gehen wir erst mal in die Marina und ankern später. Im Vergleich zu den Orten auf Sal ist Mindelo eine richtig große Stadt, auch wenn es nur 60.000 Einwohner gibt.

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Cesaria Evora, die bekannteste Sängerin der Kap Verden ist am Samstag gestorben. Die Botschaft war in wenigen Stunden auf allen Inseln rum, Staatstrauer an drei Tagen. Der Dienstag ist ein halber Feiertag. Alle Geschäfte haben ab Mittag geschlossen, um 15.30 Uhr findet die Trauerfeuer im ehemaligen Gouverneurspalast statt. Evoras Musik ist international bekannt und so wurde sie zu einer Botschafterin kapverdischer Kultur in der Welt. Jens besitzt seit Jahren CDs von ihr, wir hören und schätzen ihre Musik. Also wohnen wir der öffentlich übertragenen Trauerfeier mit vielen tausenden Kapverdianern bei. Unsere Spanischkenntnisse helfen zumindest einen kleinen Teil der vielen Reden zu verstehen.

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Am nächsten Tag – beim 3. Versuch- hat dann die Post endlich geöffnet. Wir erwarten Päckchen von Liros und meiner Familie, es weihnachtet. Wir haben einen Abholschein. Stehen damit in der falschen Schlange an, aber die Kapverdianerin ist freundlich und geht für uns das Paket im Paketraum holen. Dauert alles, vor allem auch, weil die Kommunikation nicht ganz einfach ist. Jens hatte zwar vor der Reise  angefangen portugiesisch zu lernen, aber das reicht hier nicht. Nach ca. einer Dreiviertelstunde halten wir ein Päckchen in den Händen. Ein Aachener Printenweihnachtsbaum und selbstgebackene Vanillekipferl von Renate, lieb und lecker!! Ein zweites ist auch da, aber dafür fehlt der Abholschein. Der ist inzwischen in der Marina aufgetaucht.  Am nächsten Tag gibt’s damit dann das zweite Päckchen von meiner Schwester und ihrer Familie aus Lüneburg mit Heidehonig und Salami, selbstgebackenen Plätzchen von meiner Schwester  Anja und Alina, sowie eine CD. Echt Weihnachten. Und das Paket mit der Reffleine von Liros gibt’s dann auch ohne Abholschein. Ebenso bekomme ich einen dicken Brief überreicht. Auch wenn es den Eindruck macht, als würde alles nach und nach aus den Ecken hervorkommen – so ist aber doch alles (nach gut 2 Wochen) angekommen. Für Weihnachten sind wir nun bestens gerüstet. Wir hätten es niemals gedacht, kaum zu glauben, doch wir haben 8 Sorten selbstgebackenen  Weihnachtsplätzchen fern der Heimat von unseren Lieben daheim bekommen.

Am 24. Dezember sind wir zeitig morgens um 10 Uhr auf dem Fischmarkt. Spannend und appetitlich ist die Auswahl an kleinen und großen Fischen und  Meeresfrüchten. Wir kaufen Muscheln (wie heißen sie nur?) und riesige Thunfischsteaks.

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Fisch ist hier immer frisch und sehr preiswert (Thunfischfilet 3,50 €/Kg). Alle anderen Lebensmittel sind eher teuer, kaum vorzustellen wie die Kap Verdianer sie bezahlen können. Aber 90 % der Lebensmittel werden importiert. Das Meer gibt ihnen alles, das Land nichts, hören wir von einem hier lebendem Franzosen. So verschwindet Fleisch fast ganz aus unserem Speiseplan, und wir wagen uns an gut aussehende unbekannte Fische. Zu Weihnachten fein zubereitet in einer CurryCocossauce. Obst und Gemüse gibt es auf dieser sonnigen, aber kargen und wasserarmen Insel nur in geringer Auswahl.

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Am 24. machen wir dann unseren ersten Ausflug. Wir fahren mit einem Aluguer (Sammeltaxi) nach San Pedro, einem Fischerort mit schönem Strand und einem Leuchtturm mitten in der Felswand. Der Aluguer ist mit 18 Personen und diversen Tüten Weihnachtsgeschenken randvoll geladen. Wir sind die einzigen Touristen in dem Kleinbus, der eigentlich nur 15 Plätze inkl. Fahrer hat, doch wenn man zusammenrückt passen auch 18 rein. Nach 20 Minuten steigen wir in San Pedro aus, laufen den menschenleeren Strand entlang bis zum anderen Ende der Bucht, wo Jens den Einstieg zum Weg zum Leuchtturm kennt.

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Von Ferne kaum zu glauben, dass man an dieser steilen Felsküste bis  zum Leuchtturm gehen kann. Wir gehen eine gute Stunde, bleiben immer wieder staunend stehen.

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Ein großartiges Panorama über die Bucht und sensationell die wie von Menschenhand geschaffenen vulkanischen Felsmauern, die unseren Weg durchschneiden. Zur Kaffezeit gibt´ s nen Picknick mit dem Weihnachtsgebäck aus der Heimat.

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Heiligabend ist in Mindelo recht unheilig. Jens kehrt Jens ganz überrascht von seinem kleinen Spaziergang durch die Stadt zurück: alle Plätze sind voll, vor allem jede Menge Kinder. Für sie gibt es Kindertheater, Unterhaltungsprogramm bis 22 Uhr, danach geht man Pizza essen.

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Bei uns gibt’s Spaghetti mit Muscheln, vom Aussehen sind sie Jacobsmuscheln etwas ähnlich, das Fleisch ist nur fester. Und zum Nachtisch – Schwarzwälderkirschtorte!, wegen der Kühlung erstmal nur ne  Halbe. Eine Tradition die Jens sich nicht nehmen lässt. Ein super leckeres Fischcurry erstmals nach Rezept aus unserem Fischkochbuch gibt’s am folgenden Tag. Zu Weihnachten haben wir uns eine Flasche kapverdischen Weißwein von der Insel Fogo gegönnt, eine Delikatesse mit fruchtig trockenem Geschmack. Der Feiertag ist geruhsam, wir führen Gespräche über den weiteren Verlauf der Reise. Fragen die vor allem Jens beschäftigen. Jens erfüllt mir einen Wunsch und beginnt erstmals eine Skulptur an Bord zu bauen – nun hängt eine kleine Barke bei uns im Salon, wie schön!!

 

Die nächsten Tage widmen wir ganz dem Schiff. Am 2. Weihnachtstag bekommen wir Besuch, der uns den Rest des Tages beschäftigt. Wir sichten eine, die 1. Kakerlake im Cockpit. Das löst einen Großalarm bei uns aus, heißt es doch, wenn man ein Tierchen sieht, dann sind mindestens 100 da. So sieht es am 26. bei uns ganz unweihnachtlich aus: alle Bodenplatten werden im Cockpit geschrubbt und desinfiziert, ein großer Hausputz steht an.

An Weiterfahrt ist nicht zu denken von Weihnachten bis Neujahr gibt ordentlich Wind und Welle. Wir machen noch einen weiteren Ausflug an die Nordküste der Insel. In Salamanca prallen Welten aufeinander: ein kleines mittelloses Dorf und am Strand Kite-Surfing. Im nächsten Ort Baias de Gatas treffen wir auf die rauhe Nordküste. Von See sah sie so reizvoll aus, von Land ist der Zugang zum Meer hier gar nicht möglich, ein endloses Feld von Basaltsteinen statt Strand und zudem heftig brechende Wellen aus Nordost.

 

Die Nachbarinsel San Antão erkunden wir ohne Chiloë. Morgens um 7.30 Uhr geht eine Fähre, die uns in einer Stunde rüber bringt. Der Seegang ist selbst auf dem großen Fährschiff beträchtlich. Drei Tage zuvor war die SY Tamora angekommen. Sie hatten wir zuletzt auf La Gomera gesehen. Wir feiern Wiedersehen mit Schwarzwälderkirschtorte von Jens und ner Flasche Prosecco.

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Den Ausflug nach San Antão machen wir zusammen, mieten uns zu viert einen Aluguer. San Antão ist grün, diese nordwestlichste Insel hat der Inselgruppe den Namen gegeben. Wir fahren von Porto Novo im Süden nach Ribeira Grande an der Nordküste. Die rund einstündige Fahrt geht quer über  den  Gebirgskamm von 0 auf 1300 Meter. Wir sind total begeistert, lassen den Fahrer alle naselang stoppen, immer wieder gibt es neue Blicke in terrassierte Täler auf bizarre Felsen und kleine Hütten. Unerwartet ist es zwischendurch richtig frisch, es ist windig und zum Nachteil der Fotografen sind leider oft ein paar Wolken zuviel da. Über eine gepflasterte an die Steilküste gebaute Straße erreichen wir Ponta do Sol, den nördlichsten Punkt der Insel und zugleich der Kap Verden. Um den kleinen Hafen siedelte sich im 19. Jh ein Fischerdorf an, heute liegen hier nur noch kleine Ruderboote. In Paúl gibt’s eine Mittagspause. Ein kleiner Ort entlang der Küste unter riesig hohen Kokospalmen. Wir besuchen eine Rum-Destillerie. Nein eigentlich wollte ich diesen Programmpunkt, den uns der Fahrer vorgeschlagen hat, nicht mitmachen – kenn ich doch schon, dachte ich. Die traditionellen mit Zuckerrohrwedeln bedeckten Dächer hatten mich aber schon bei der Einfahrt in den Ort angezogen. Genau hier hinter Mauern versteckt (ohne jeden Hinweis) gab´s die Schnapsbrennerei. Es gab einiges zu sehen im Schatten eines den  Innenhof überragenden Baumes: eine uralte, traditionelle Zuckerrohrpresse,  einfache Leitungen und Plastikkanister für den Gärprozess. Die Ochsen, die die Presse antreiben, ruhten im offenen Stall nebenan, frei laufende Hühner und am Boden saß ein Mann, der unermüdlich Mandeln knackte. Groque heißt der Rum, der hier auf den Kap Verden erzeugt wird und  ursprünglich als reiner Zuckerrohrschnaps gebraut wurde.

Allein von Paúl aus, könnte man eine ganze Woche lang spannende Wanderungen unternehmen. Leider haben wir dazu keine Zeit, unsere letzte Fähre geht um 17 Uhr zurück.

Seit unserer Ankunft hören wir auf den Straßen und Plätzen von Mindelo Musik, immer wieder dieselben Lieder, ein Weihnachts- und Neujahrs-Sampler, die CD des Jahres. Jetzt zu Silvester wird eine große Bühne aufgebaut, quer über die Straße. Andere Segler erzählen von dem Funkensprühenden Feuerwerk, man möge sich in Sicherheit bringen. Wir beschliessen an unserem Ankerplatz zu bleiben, von dort aus haben wir die beste Sicht auf das Feuerwerk am Strand. Um Mitternacht trinken wir Sekt, erst mit der Tamora, dann allein bei uns an Bord.

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Es gibt ein zentrales Feuerwerk, und das kann sich durchaus sehen lassen. Und tatsächlich fliegen uns so einige Raketenreste in Form von Staub und Papier um die Ohren. Aber alles o.k., keine Gefahr.  Anschließend ziehen wir los auf die Straße zur Livemusik, die begann um Mitternacht und spielt bis 2 Uhr. Eine große öffentliche Silvesterparty, ohne Bierstände und dem Augenschein nach ohne Alkohol auf der Straße. Beim rumziehen durch die Stadt entdecken wir noch weitere Partyorte, in Hotels oder Restaurants, doch die kosten alle umgerechnet 30 Euro, also nichts für jedermann, doch gut besucht von zahlreichen jungen Leuten.

Der  Wetterbericht kündigt gemäßigten Wind und Welle für den 3. Januar an. Marion und Harald von der RufusII, kündigen sich ebenfalls für diesen Tag an. Wir beschließen zu warten und nochmal einen Tag mit ihnen zu verbringen. Sie waren über Weihnachten in Deutschland, haben Weißwürste mitgebracht und so gibt´s eine bayrische Brotzeit mit Weißwürsten, süßem Senf und Weizenbier. Ich freue mich besonders über das Wiedersehen, auch wenn unsere Stimmung schon ein wenig vom Aufbruch zur  Atlantiküberquerung geprägt ist. Drei holländische Schiffe und ein französisches haben Brasilien als Ziel und sich zum gemeinsamen Aufbruch über den Atlantik verabredet. Wir schließen uns an, auch wenn unser Schiff kleiner und langsamer sein wird. Über Funk zu festgelegten Zeiten morgens und abends wollen wir alle im Kontakt miteinander bleiben. Eine angenehme Aussicht sich nicht ganz allein auf dem weiten Ozean zu wissen.

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Nach diversen kleineren Arbeiten und letzten Einkäufen, vor allem Wasser und Müsli, ist es dann am 4. Januar soweit.  Die anderen Schiffe laufen vormittags aus, wir haben noch zu tun. Ich gehe morgens um 8 Uhr noch zu einem Chiropraktiker. Schmerzen am Ischias hatten mich gequält bis ich ein Schmerzmittel nahm. Ferndiagnose und Hilfe von zwei Krankengymnastinnen (Freundin Silvia und Schwester Anja) halfen nur bedingt. Da kam die Info vom französischen Chiropraktiker gerade recht, er lebt auch auf einem Segelboot, liegt für einige Monate im Hafen und praktiziert vormittags in einem angemietetem Raum, wo seine Massagebank steht. Nach einigen kräftigen Handgriffen war alles wieder gerichtet, eine gute Basis für die lange Seestrecke. Während Jens letzte Vorbereitungen am Schiff macht, brate ich zwanzig Frikadellen als Proviant. Zum Abschluss gehen wir mit Harald und Marion, die uns die letzten Stunden ganz geduldig begleiten, noch einen letzten Café in der Marinabar trinken und dann geht’s schließlich um 17 Uhr los.