Wir leben mit den Fischern im Hafen. Die erste Nacht ist äußerst unruhig! Der Schwell treibt uns gut zwei Meter vor und zurück, die Leinen rucken, die Fender quietschen, wir fürchten ums Material. Der Franzose neben uns hat sich an unserem Schiff mit nur kurzen unelastischen Schoten festgemacht. Wir liegen zwischen dem Seenotretter und der französischen Yacht und werden durch ihre ungleichen Bewegungen ordentlich hin und her gezogen. Auf ein Frühstück im Freien verzichten wir gleich am ersten Morgen, ganz entsprechend der ins häusliche Innere orientierten Lebensweise der Marokkaner. Wir hängen fliegen- und blickdichte weiße Stoffe vor den Niedergang und frühstücken im Salon. Wie angenehm, so haben wir mitten im Hafentrubel unsere Privatsphäre. Da Madame nebenan ganz gesprächig ist, stehen an der Reling des Seenotretters immer ein paar Leute herum, schauen was wir treiben und fragen was wir brauchen könnten. Ein junger, nicht zur Besatzung gehörender, Marokkaner ist da besonders aktiv und geschäftstüchtig. Statt nicht vorhandener Dusche bekommen wir ein Hamam, exklusiv für uns allein angeboten, doch Madame vom Nachbarschiff kommt gar nicht von Bord, eine zu schwierige Kletterei und ich verzichte auf dieses Exklusivangebot.
Wir zahlen den stolzen Preis von 24 Euro pro Nacht, ohne Stegzugang, ohne Strom- oder Wasseranschluss. Da ist auch nicht zu verhandeln, es gibt eine staatliche Liste erklärt uns der freundliche Hafenmeister. Den notwendigen Service organisieren unsere Nachbarn vom Rettungskreuzer. Der Franzose braucht Diesel bevor er weiterfährt, es wird ein Marokkaner mit Handkarren organisiert. Kurz entschlossen hänge ich mich dran, Jens muss zur Hafenpolizei, einklarieren. Schnell leeren wir unsere Kanister und dann gehts los. Der Franzose, der Marokkaner mit Handkarren und ich spazieren über die Küstenstraße zur nächsten Tankstelle, tanken (73ct pro Liter) und dann geht die Karawane wieder zurück. Zwei Tage später bekommen wir eine exklusive Extralieferung von unseren hilfsbereiten Nachbarn gereinigter Diesel aus dem Rettungskreuzertank, vom Maschinisten frisch gezapft, 20 Liter für 10 .
Wir atmen auf als die Franzosen Mittags endlich ihre Leinen los machen. Die Schaukelei wird sogleich erträglicher, unsere Leinen und Chiloë entlastet. Jetzt sind wir neben einem einzigen einheimischen Dauerlieger, das einzige Segelboot im vollen Hafen. Vom Kai aus liegen wir klein und versteckt neben unserem großen Schutzboot und genießen es mittendrin zu sein. An Land sind wir Touristen wie es hier viele gibt. Doch hier in unserem schwimmenden Zuhause zu sein, und nicht im 4-Sterne Hotel zu logieren macht doch einen feinen Unterschied. Wenn ich tagsüber vom Landgang zurück an Bord klettere, steht jedes Mal der freundliche Kapitän des Rettungskreuzers an der Reling, streckt seinen Arm aus, um meinen Rucksack heraufzuheben und würdigt meinen Aufstieg die Bordwand rauf an Deck (über Reifenfender und Reling ca. 2,5 m) mit einem anerkennenden Blick. In diesem Moment fühle ich mich gar nicht touristisch. Mit unserer Chiloë im Fischereihafen gehören wir doch auch ein bisschen dazu, zu den Menschen, die hier mit und vom Wasser leben.
Am nächsten Tag wollen wir Einkaufen. Der Maschinist nennt uns einen Supermarkt, wo wir zu ausgewiesenen Preisen einkaufen können. Auch wenn uns das nicht wichtig scheint, es ist doch angenehm nicht jeden Preis aushandeln zu müssen. Der Supermarkt liegt hinter der Medina, ein Stück außerhalb. Das Taxi kostet 60 Dirham (60 ct), sagt der Maschinist, wir sind gut informiert und steigen direkt im Hafengelände ins Taxi zum Supermarkt. Es klappt wie geplant und wir sind am anderen Ende der Stadt. Auf der breiten vierspurigen Ausfallstraße fahren neben Taxis hauptsächlich Pferdekutschen, die hatten wir bisher noch nirgendwo gesehen.
Und je weiter wir uns vom Zentrum entfernen, desto mehr werden es. Kurz vor dem Supermarkt ist ein Droschkenplatz, da stehen zig davon wir staunen und gehen erst mal einkaufen. Der Supermarkt bietet zahlreiche vertraute Produkte, Haribo, bekannte Pastamarken u.a. Wir kaufen verpackte Lebensmittel, Fleisch, marokkanische Apfelsinen und etwas Gemüse, verstauen es in unseren Rucksäcken und ziehen los. Nach einigen Schritten ist klar wir sind am Stadtrand gelandet. Hier kommen Touristen normalerweise nicht her. Wozu auch? Wir lassen die Taxis an uns vorbei fahren und gehen durch die Mittagshitze zum Droschkenplatz, mal gucken.
Die Pferdekutschen sind die Taxis der Einheimischen, keine Touristenattraktion wie sonst in der Welt. Jens fragt nach Preisen, 250 Dirham. Ich Marokko erfahren (eine vierzehntägige Rundreise :-)) protestiere viel zu teuer! Wir schlendern ein bisschen rum, handeln weiter und schließlich fahren wir für 150 Dirham zurück zum Zentrum. Alle Kutschen sind individuell bemalt, mit Spiderman und anderen Motiven, den mageren Pferden ist eine Futtertasche vors Maul gehängt, sie haben offensichtlich ein karges Leben.
Nach wenigen Metern fahren die Kutschen von der Asphaltstraße ab und wir kommen durch ein ganz anderes Essaouira. An der Staubstraße liegen Autowerkstätten, kleine Handwerksbetriebe, Schreinereien und eine Gerberei. Wir staunen und können während der holprigen, uns viel zu schnellen Kutschfahrt gar nicht lange genug gucken, geschweige denn fotografieren. Es ist wunderbar, bei jeder Aktivität in dieser Stadt entdecken wir ein anderes Essaouira. Am liebsten wären wir nochmal mit der Kutsche hin und her gefahren, aber unsere Lebensmittel müssen an Bord.
Direkt am Hafen gibt es, neben einem Reparaturslip auch eine Werft (ein open air Gelände) die nagelneue Fischkutter aus Holz bauen; den Kiel aus Eiche, die Spannten aus Eukalyptus und die Beplankung aus Teak. Die großen Kutter (ca. 25m lang) sind für Sardinen (bis zu 5 Tonnen), die kleineren, ca. 1218m lang, sind für die großen Fische (Thunfisch, Schwertfisch etc.). Es dauert ein Jahr von der Kiellegung bis zur Fertigstellung. Wir staunen vor allem, dass sie aus Holz sind, denn die alten im Hafen sehen alle total verrostet aus!
Bei den kleinen Booten kann man an der Farbe erkennen welche Fische sie fangen, die blauen sind hier z.B. für den Sardinenfang.
Schon lange vor dem Einlaufen der Kutter versammeln sich große Menschentrauben auf der Kaimauer. Kühl-LKWs, Händler, Restauranteinkäufer und Privatverbraucher bilden eine bunte Menge, die manchmal stundenlang warten und palavern. Dazwischen vermummte alte Frauen mit Eimern oder Taschen, die blitzschnell jene Fische aufsammeln, die beim Verladen auf den Boden fallen.
Die drei Tage kommen uns vor wir ´ne ganze Woche. Doch wir wollen weiter zu den Kanaren und die Liegegebühren sind hier recht teuer. Noch bis zuletzt laufen wir mit dem Fotoapparat die Stadtmauer entlang durch die Medina, zu Ecken die wir erst am Vorabend entdeckten. Kaum zurück an Bord drängt die die Zeit. Ein Katamaran und eine weitere Yacht kommen in den Hafen und alle müssen hier längsseits ins Päckchen, da sehen wir zu, dass wir wegkommen. Wir nehmen Abschied von der freundlichen Besatzung des Rettungskreuzers (der Käptn hatte uns noch schnell ein paar Scampis vom Fischmarkt besorgt) und fahren mit ein bisschen Wehmut los. Gern wären wir noch ein wenig geblieben, doch mit einem 7 Meter breiten Katamaran und einer weiteren Yacht an unserer Seite (und immer noch Schwell im Hafen), gefiel uns dieser Platz dann doch nicht mehr.