Archive for März, 2012

21. Bericht: Allein an Bord, Itaparica und Maragojipe

Donnerstag, März 8th, 2012

 Allein an Bord beginne ich mit dringenden Arbeiten. Vor Allem das Unterwasserschiff muss gereinigt werden, es hat schon mindestens 1 cm dicken, grünen Bewuchs. Rau und erstaunlich hart fühlt sich das an, aber mit Spachtel und Schrubber geht’s ganz gut ab.

Mein Fuß ist endlich soweit, dass ich wieder schwimmen gehen kann und so bewaffne ich mich mit Flossen (geht so gerade über die neue Haut) und Taucherbrille und rücke dem Kraut zu Leibe. Zunächst mit dem Spachtel entlang der Wasserlinie, da, wo der Wasserpass (weißer Lack) schon eintaucht geht’s besonders schwer ab. Dann arbeite ich mich langsam nach unten vor. Luftholen, tauchen, schnell ein kleines Stück kratzen oder schrubben und schnell wieder auftauchen, weil die Luft am Ende ist. Puh, mühsam und anstrengender als ich dachte, eine halbe Stunde später liege ich erschöpft im Dingi, Pause…weitermachen. Nach 5 Tauchsessions an 2 Tagen ist es geschafft. Chiloë ist wieder glatt und blau bis zur Kielsohle.

Am Samstag gibt es einen traditionellen Markt in Maragojipe, 10 sm von Itaparica quer über die Bahia und dann noch mal 10 sm den Rio Paraguacu hinauf. Man sagt, dass die Bauern noch mit Eseln und Maultieren aus dem Hinterland kommen, um Obst, Gemüse und Tiere zu verkaufen. Da will ich hin!

paraguacu.jpg

Rio Paraguacu

Emilia, ein junger Schweizer von der SY Marty Mc Fly fragt mich, ob er mitkommen könnte. Nach kurzer Bedenkzeit stimme ich zu, so ohne elektrischen Autopilot mit Tide und Strömung wäre es gar nicht schlecht einen zweiten Mann an Bord zu haben. Außerdem ist er Software Entwickler und bietet mir an, sich um meine PC Probleme zu kümmern und mir noch interessante Programme und Daten aufzuspielen. Da gibt es zum Beispiel einen globalen Tidenkalender, sämtliche Pilotcharts und Küstenguides und die neuesten Seekarten für das Navigationsprogramm Open CPN. Ja, auch wir navigieren schon mit dem Netbook, auch wenn die Papierkarten immer noch dabei sind. Eine Detailkarte für den Rio Paraguacu leihe ich von der SY Santana, denn bis Maragojipe reichen die elektrischen Karten nicht.

rote-vogel-paraguacu.jpg

rote-vogel-paraguacu.jpg

Ich segle am Freitagnachmittags mit Emilia los, haben mal wieder herrlichen Wind, 4-5 Bft von achtern und schlängeln uns dann den Fluß hinauf (Tide beachten, dann schiebt der Strom mit 2 kn). Tolle Urwaldlandschaft, rote Klippen und grüne Ufer, knallrote Vögel fliegen vorbei, nur ein Areal, auf dem Bohrinseln gebaut werden sticht aus der Idylle etwas heraus, Brasilien eben. Abends dann himmlische Ruhe , 5-6 Yachten ankern vor der langen ‚Flussbrücke’, die mich an die Seebrücken an der Ostsee erinnert.

 

maragojipe-0.jpg

 

Morgens, auf dem Weg zum Markt begegnen uns immer wieder Jungen mit Schubkarren. Sie machen den Transportservice für die Einkäufe, die Hausfrauen spazieren ganz entspannt nebenher – gute Idee eigentlich, oder? Und dann sind wir auf dem Markt, toll, vor allem diese Menschen… Ich glaube ein paar Bilder sagen mehr als viele Worte…

 

 markt-maragojipe1.jpg

maragojipe-2.jpg

 maragojipe-3.jpg

Mit etwas geschicktem Handeln kann man sehr günstig einkaufen;  16 Apfelsinen für umgerechnet 1 Euro, 3 riesige Avocados für 1 Euro und Ananas für 75 Cent pro Stück eine halbe Bananenstaude für 1,50 und Limetten gleich 20 Stk. für 1 Euro, da kann man  jede Menge Caipis machen.

 

 markt-maragojipe-2.jpg

maragojipe-4.jpg

maragojipe-5.jpg

Wieder zurück in Itaparica finde ich endlich Zeit und Muße meine künstlerische Arbeit wieder aufzunehmen. Etwas was mir seit einiger Zeit wirklich fehlte, mich manchmal recht unzufrieden machte, denn ich schätze meine Arbeit und sie gibt mir eine Menge. Ich baue einige kleine Skulpturen und merke, es tut richtig gut, etwas Neues zu schaffen! Eine erheblich größere Erfüllung als immer nur reparieren und Instand halten.

atelier-an-bord.jpg

atelier-an-bord.jpg

Darüber hinaus fühle ich mich sehr wohl in diesem internationalen Seglerdorf (unserer Ankerbucht). Hier in Brasilien hat sich da noch einmal etwas deutlich verändert. Die Kommunikation und der Zusammenhalt der Segler ist hier viel höher als auf den Kanaren oder Kap Verden. Auch der Typ Segler hat sich noch einmal verändert. In Deutschland wurden wir noch bestaunt: ein ganzes Jahr segeln und nach Südamerika… Von La Coruna und bis zu den Kap Verden trafen wir dann viele Segler, die 3-4-5 Jahre Zeit (und Geld) hatten und um die Welt segeln. Jetzt treffen wir auf Menschen, die seit 10 Jahren, manche sogar seit 20 Jahren unterwegs sind und die dauerhaft auf Ihren Schiffen leben. Ich erwähnte schon Brian und Marta, die unterwegsin Australien zwei Kinder bekamen (mittlerweile 5 und 8 Jahre alt). Brian sitzt jeden Morgen wie ein Buddha meditierend auf dem Vordeck, danach werden die Kinder unterrichtet, die mindestens zweisprachig aufwachsen. Ron, ein Amerikaner, einige Jahre jünger als ich, ist seit 24 Jahren einhand unterwegs, kam mit seiner Nicholsen 32 durch den Beagle Kanal aus dem Pazifik. Nun hat er erstmal genug und segelt über die Karibik nach Hause (North Carolina).

Und da ist Shirly, eine zierliche, bescheidene und ganz zurückhaltende Frau aus Kapstadt, Südafrika. Mittlerweile 64 Jahre alt, ist sie seit 10 Jahren alleine mit ihrer Katze auf ihrer betagten Laurent Giles 25, Baujahr 1952, unterwegs. Mit dieser knatschgelben, nur 8 m langen Yacht segelte sie von Kapstadt nach Brasilien, über die Karibik in den Norden bis nach New York und Boston, und über die Azoren, Kanaren, Kap Verden wieder nach Brasilien und runter bis Buenos Aires. Nun ist sie erneut auf dem Weg in die Karibik. Hut ab!!! Vor so einer seglerischen Leistung. „Besser als in irgendeiner Wohnung jeden Tag vor dem Fernseher zu sitzen“ sagt sie. (Als Software Entwicklerin träumte sie schon immer vom Langzeitsegeln, traf einen Mann mit dem sie eine 12m Yacht kaufte. Doch als dieses Schiff nach 10 Jahren immer noch nicht reisefertig war, zweifelte sie an seinen Absichten und kaufte sich kurzerhand diese kleine Yacht und segelte alleine los.)

 

 shirley-fahrt-weiter.jpg

 shirley-fahrt-weiter.jpg

Die Möglichkeiten und die Realität von Segeln und einem Leben an Bord gewinnen neue Dimensionen, wenn man mit solchen Menschen spricht…

 

Im Übrigen ist Itaparica ein wunderbarer Platz, um hier etwas mehr Zeit zu verbringen. Direkt hinter der Marina gibt es eine Quelle mit hervorragendem Trinkwasser. Bei jedem Landgang füllt man dort einige 5 l Wasserflaschen auf.

Es gibt nette Kneipen und Restaurants, bei denen die Preise vom günstigen Mittagstisch für 2 Euro bis zum Dinner für 20 Euro variieren. Und nicht unerheblich, es gibt kostenloses Internet, per WiFi bis aufs Schiff!. O.k., man muss ab und zu mal in der Bar Amigos ein Bier trinken, um den neuen Code zu erfahren, aber dort treffen sich sowieso Alle.

Ciao, bis bald, jetzt freue ich mich erstmal darauf, dass Ariane am Freitagabend wieder an Bord kommt.

 

itaparica-fischer-1.jpg

 Die Fischer von Itaparica

20. Bericht:Bahia de Salvador / Itaparica

Donnerstag, März 8th, 2012

Mit Sonnenaufgang holen wir den Anker auf und motoren ohne Wind gen Südwesten. Heute Mittag wird die Sonne genau 90° über uns, im Zenit stehen. Eine Tag- und Nachtgleiche der besonderen Art. Auf dem Weg vom südlichen Wendekreis (23,5 °S) zum Äquator wandert der sogenannte Bildpunkt der Sonne (der Punkt, in dem die Sonne genau 90° senkrecht steht) alle 4 Tage einen Breitengrad weiter nördlich um die Erde (d.h. er rast mit ca. 1600 km/std .in 24 Std. einmal um die Erde) Heute haben wir seine Bahn gekreuzt (kam gerade knapp hinter uns durch…) und nun sind wir auch ‚sonnentechnisch’ auf der Südseite angekommen.

chiloe-auf-see.jpg

 

Mittags kommt eine angenehme Brise auf und wir können Segel setzen. Tagsüber haben wir dann meistens 3-4 Bft und nachts 4-5 Bft , inkl. 1 kn Schiebestrom macht das 5-6 Kn über Grund. Die Eintragungen im Logbuch sagen: „herrliches Segeln mit halbem Wind“ (12.2.) und :“Super Segeltag bei angenehmem Wind und Welle“(13.2.), und so segeln wir am Morgen des Valengtinstages in die Bahia de todos os Santos (Allerheiligenbucht) hinein, an der Millionenstadt Salvador vorbei (Die Polizei streikt und man berichtete von gefährlichen Unruhen auf den Straßen), direkt zur Nordspitze der Insel Itaparica, denn dort gibt es eine kleine Marina und davor eine schöne Ankerbucht, die wir schon mehrfach empfohlen bekommen haben.

salvador-von-see.jpg

 salvador-von-see.jpg

Und sieh an – alle sind schon da: die SY Santana, SY Sandpiper und auch die SY Betty Boop, die alle mit uns von Mindelo aus gestartet waren, die halbe SSB-Funkrunde (siehe Bericht Atlantik) Großes Wiedersehen, gleich verabreden wir uns für den nächsten Tag, um alle gemeinsam mit dem Taxi zum großen Supermercado mitten auf der Insel zu fahren. Na, das ist ja ein schöner Empfang!

 

 itaparica-luft-1.jpg

Itaparica aus der Luft. Copyright: Leon Philibien (SY La Matine)

 Die Situation in Salvador wird heftig diskutiert. Die Meldungen schwanken zwischen ‚Mord und Totschlag auf den Straßen’ bis hin zu ‚ Alles gar kein Problem, das ist nur in den Favelas’. Sandpiper und Santana fahren trotzdem nach Salvador, Ach ja, es geht natürlich um den berühmten Karneval, der vor der Tür steht. Wir beschließen mit dem Schiff erstmal in Itaparica zu bleiben, am schönen und kostenlosen Ankerplatz und mit einigen Anderen abends mit der Fähre nach Salvador rüber zu fahren. Mittags dann die Meldung: „der Streik ist seit 4 Tagen vorbei, alles kein Problem und so findet sich ein äußerst internationale Gruppe von Seglern an der Fähre zusammen. Da sind Brian (Ire) und seine Frau Marta (Brasilianerin), Juan (Spanier) ist mit Jane (Neuseeland) verheiratet, Dan (Australien) und schließlich Chris (Südafrika) dessen Eltern hier ein Restaurant betreiben. Wir sind froh alsNeuankömmlinge dabei zu sein, vor allem auch weil Marta als Guide fungiert und die Kommunikation in Portugiesisch übernimmt. Außerdem ist man in einer Gruppe recht sicher.

Die Musik wummert bereits durch die Stadt und ist schon weit vor dem Hafen zu hören. Die Anderen wollen noch ein paar Bekannte in der Marina besuchen und so landen wir auf einer großen französischen Yacht, schnell sind 15 Personen im Cockpit und es entwickelt sich eine spontane Party. Eine große Schüssel!! Caipirinha wird angesetzt,die Bordmusik wird aufgedreht und die Stimmung steigt. Unsere Sprachkenntnisse sind mal wieder stark gefordert, hauptsächlich Französisch und Englisch, aber es ist auch ein Schweizer dabei, so dass zwischendurch auch noch etwas  Deutsch  gesprochen wird.

party-salvador.jpg

 Drei Stunden später ziehen wir dann alle zusammen los, von den Gastgebern noch mit bunten Perücken ausgerüstet geht’s ins Getümmel des Pelerino (Altstadt). Zunächst kamen wir uns etwas komisch vor mit den Perücken, denn von den Zuschauern ist kaum jemand verkleidet, aber im Gedränge erweisen sie sich schon bald als markante Blickpunkte um die Anderen immer wiederzufinden. Marta organisiert einen richtigen Karnevalsguide, denn wir suchen die berühmteste Truppe OLODUM, die heute hier unterwegs sein soll. Es geht hin und her durch die Altstadt, über viele Plätze, alles scheint sehr unübersichtlich, überall Bands, Wagen, und Tanzgruppen, gelegentlich bleiben wir stehen und schauen einen Moment lang zu.

salvador-carnaval-1.jpg

 

Schließlich kommt auch Olodum mit mehreren Tanzgruppen in tollen Kostümen und einer großen Percussiongruppe hintendran. Olodum ist als politisch aktive Tanz- und Musikgruppe seit vielen Jahren eine feste Größe in Brasilien und besonders beim Karneval in Salvador. Ja und dann erlben wir erstmal die richtig großen Trio’s, die fahrenden Bühnen-LKW’s. Ich versuche Ariane etwas ins Ohr zu schreien, aber das ist aussichtslos, sie versteht nichts. Man muß einfach warten bis der Trio ein Stück weiter gefahren ist. Die sollen da mehr als 100 000 Watt drauf haben und das ist durchaus glaubwürdig.

 

Nachts um halb drei treten wir langsam müde den Rückweg an. Mit Taxi, Fähre und Sammelbus sind wir um 4 Uhr wieder an Bord, Wow!

 

Am nächsten Morgen finden wir dringende sms von Arianes Schwester und erfahren beim Anruf, dass ihr Vater ins Krankenhaus gekommen ist, der Zustand ist kritisch. Sofort schauen wir im internet nach Flügen, aber ihr Schwager Michael (selber Arzt) rät noch 2-3 Tage abzuwarten, wie sich sein Zustand entwickelt. Der wird zunächst besser und Ariane kann am Sonntag kurz mit ihrem Vater sprechen (über Skype). Am Montag buchen wir dann doch einen Flug für Dienstag Abend, aber schon morgens am Dienstag erreicht uns die Nachricht von seinem Tod. Wie gut, dass wir den Flug schon gebucht haben. Ariane packt das Nötigste und ich begleite sie noch mit der Fähre bis zum Hafen von Salvador. Dort verabschieden wir uns das erste Mal seit 7 Monaten und sie steigt in ein Taxi zum Flughafen. Morgen Abend wird sie in Deutschland sein.

 

19. Bericht: Maceo

Donnerstag, März 8th, 2012

chiloe-auf-see.jpg

Zügig laufen wir mit der Tide (2 kn Strömung) den Rio Paraíbo hinab und an Cabedelo vorbei aufs offene Meer hinaus. Aah – wie schön wieder türkis und blaues Wasser unter dem Kiel zu haben und einen freien Blick bis zum Horizont. Dort hinten segelt La Matine. Leon ist mit seiner Frau Silviane und Freund Jean ungefähr eine Stunde vor uns ausgelaufen. Bei wenig Wind fast von vorne müssen wir hoch am Wind um das Cabo Branco herum. Danach können wir abfallen und auf SSW-Kurs gehen. Wir schummeln ein bisschen und lassen den Motor mitschieben, anstatt  zu kreuzen. Nach zwei Stunden haben wir La Matine eingeholt und es gibt eine Fotosession. Wir fotografieren uns gegenseitig und freuen uns, dass wir endlich einmal Fotos von  Chiloë auf See bekommen. Die Skyline von Joao Pessoa gibt uns einen außergewöhnlichen Hintergrund dazu. Wir segeln den ganzen Tag in Sichtweite zueinander, bis La Matine am Abend nach Recife abbiegt.

chiloe-vor-joao-pessoa.jpg

 chiloe-vor-joao-pessoa.jpg

Wir wollen nach Maceo, denn dort soll es noch Jangadas geben, traditionelle Fischerboote unter Segeln, auch wenn sie hier allerdings nur noch im touristischen Einsatz sind. Nachts um 03 Uhr tasten wir uns langsam in die großräumige Bucht hinein, vorbei am Industriehafen mit einigen Frachtern, bis hinten in die Ecke, wo zahlreiche Fischerboote und nur 2-3 Segelyachten an Muringbojen bzw. vor Anker liegen. Die Fischer fahren jetzt zur ‚Arbeit’, einer nach dem anderen kommt uns entgegen. Wir legen uns erstmal schlafen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück stoppt ein einheimischer Katamaran neben uns auf und erklärt uns freundlich die Gegebenheiten vor Ort. Man kann am Yachtclub mit dem Dinghi anlanden, d.h. am Strand davor. Es gibt keine Marina und die Motoryachten werden mit dem Trecker aus dem großen Innenhof des Clubgeländes einfach über den Strand ins Wasser geslippt. Wir tragen unser Dinghi hinein und können es dort gut bewacht liegen lassen. Das ist hier wohl auch nötig, denn gleich nebenan ist eine Favela und man sollte nicht nachts dort herumlaufen… Wir machen uns auf den Weg zum Strand der Jangadas.

Merkwürdig – mehrfach sehen wir Männer in Frauenkleidern, mit Pömps und Perücke, im Minirock oder im kleinen Schwarzen stöckeln sie da über die Straße. Die Musik wird lauter und langsam dämmert es uns – Carnaval! Immer mehr Menschen sind auf dem Weg, auf der Strandstraße steht dann der Zug, noch wartend. Ja, hier beginnt schon heute der Carneval, die Jangadas sind vergessen und wir mischen uns unter das bunte Volk, kaufen uns ne Dose Bier und suchen einen guten Platz am Straßenrand.

maceo-carnaval-1.jpg

maceo-carnaval-1.jpg

Nach einiger Warterei setzt sich der Zug in Bewegung, sehr langsam, immer wieder haltend (die müssen ja noch ein paar Tage durchhalten) kommen Tanz- und Musikgruppen vorbeigelaufen. Danach dann die Trio’s. Das sind fahrende Bühnen, LKW’s mit Bergen von Lautsprecherboxen beladen und obendrauf, auf der ‚Dachterrasse’ die Band – in Brasilien natürlich Live-Musik.

maceo-carnaval-2.jpg

Carnaval in Maceo – ein Trio

Bei locker 35-38°C haben wir nach einigen Stunden genug vom Stehen im Getümmel, sind hungrig und durstig und setzen uns nur 100m weiter an den Strand, wie praktisch. Auch hier ist die Musik noch gut zu hören und viele bunte Gestalten mischen sich mit den Badenden. Ein neues Strandgefühl, vor allem mit der Geräuschkulisse. Gestärkt von gegrillten Fleischspießen und kühlen Getränken, die wir an einem der zahlreichen Stände kaufen, schauen wir aufs Meer und die jetzt zurückkehrenden Jangadas.

maceo-jangada.jpg

maceo-jangada.jpg

Heute klappt es also mit einer Tour auf so einer Jangada nicht mehr, für mich war es ohnehin fraglich, ob ich mit meiner noch nicht verheilten Brandwunde, einen Bootsausflug zum Riff hätte wagen können, denn mein Fuß sollte noch nicht ins Salzwasser.

maceo-strand.jpg

maceo-strand.jpg

Ariane gönnt sich ein Bad in der Masse, sie geht schwimmen zwischen all den Brasilianern, die bis zu den Hüften im 28 C warmen Wasser stehen und plaudern. Ich beneide sie darum, doch ich will den Heilungsprozess meiner Wunde nicht gefährden und verzichte auf´s baden. Zum Sonnenuntergang sind wir zurück an Bord; ein erfüllter Tag. Statt noch am selben Abend auszulaufen, beschließen wir in Ruhe zu kochen und entspannt zu dinieren, gleichzeitig, statt abwechselnd zu schlafen, und morgen ganz früh weiter zu segeln.


Traurige Nachricht: außerplanmäßiger Heimataufenthalt

Sonntag, März 4th, 2012

Nach kurzem (36 Std) Zwischenstopp in Maceo, sind wir am Dienstag, 14. Februar in der Bucht von Salvador de Bahia angekommen. In der Heimat wurde am Ende dieses Tages mein Vater wegen Unwohlsein ins Krankenhaus eingeliefert und über Nacht eine Leukämie diagnostiziert. Eine Woche später erlag er dieser plötzlichen, sehr aggressiven Erkrankung. Ich bin derzeit bei meiner Mutter und Familie in Hagen und fliege am 9. März zurück nach Salvador de Bahia, wo Jens und die Chiloë auf mich warten. Wie es dort und in Itaparica aussieht, wo die Chiloë zur Zeit vor Anker liegt, darüber gibt es demnächst mehr auf dieser Seite.

Übrigens: Zu unseren Berichten Sturm und Fernando de Noronha konnten wir inzwischen auch Fotos einstellen, also noch mal hinschauen.

18. Bericht: Brasilien (2) – Cabedelo

Sonntag, März 4th, 2012

 abfahrt-fernando.jpg

Von Fernando de Noronha segeln wir in 48 Stunden nach Cabedelo. In der ersten Nacht folgt uns stundenlang achteraus an backbord ein Schlepper, den wir vor Fernando de Noronha mit einer Schute voller Müll ankern sahen. Unzählige rosa Plastiksäcke mit Müll, der nicht auf der Insel recycelt werden kann und ans Festland transportiert wird. Er nähert sich nur sehr langsam, doch dann ist er relativ plötzlich unangenehm nah und seine Fahrtrichtung ist schwer auszumachen. Ich versuche auszuweichen, doch  da hat auch er seinen Kurs geändert. Ich wecke Jens, wir machen zusätzlich die Decksbeleuchtung an, sodass unsere Segel zu sehen sind und wir weichen erneut aus. Der Schlepper leuchtet mit einem Suchscheinwerfer zu uns herüber und wir verstehen endlich seinen Kurs. Nur eine radikale Kursänderung um 90 Grad bringt uns aus der Gefahrenzone, puh – da war nicht mehr viel Spielraum.
Zwei Stunden später kommt uns ein Fischerboot quer vor den Bug gefahren. Angler, 15 sm vor der Küste, in kleinen offenen Booten ohne Licht!, erst bei Annäherung von anderen Schiffen machen sie ein Licht an. Das Ausweichmanöver war nicht weniger knapp, nur waren wir diesmal das größere Boot.

 

ankunft-joao-pessoa.jpg

Nach verlangsamter Fahrt, mit 2 Reffs in Groß und Genua nähern wir uns mit 3-4 kn wie geplant zum Sonnenaufgang der Küste. Aus der Ferne erinnert die Skyline von Joao Pessoa an Manhattan. Doch wir fahren passend mit dem Hochwasser bei Cabedelo in den Fluß Paraíbo und 4 sm flußaufwärts bis nach Jacaré. Es soll laut Hafenhandbuch der romantischste Ort Brasiliens sein, wo wir morgens um 8 Uhr Ortszeit festmachen.

jangada2.jpg

Eine kleine Marina, von Philipe, einem Franzosen, geführt. Gut ein Dutzend Seglerkommen uns entgegen. Eine französische Atlantik-Regatta wie wir später hören und von Cabedelo zum Amazonas fahren. Unserem Einhandsegler Leon, der uns wieder einen Tag folgt, begegnen die zahlreichen Segelboote zu seiner Verwunderung nachts auf dem Atlantik und rauben ihm den Schlaf.

 rio-paraiba.jpg

Neben der Marina Jacaré ist ab 9 Uhr der Bär los. Motorboote verschiedenster Größe werden am Nachbarsteg von einem Trecker zu Wasser gelassen. Knapp 20 Brasilianer sind den halben Tag damit beschäftig, die Boote zu Wasser zu lassen und später wieder raus zu holen. Dabei drehen sie die 200 PS Motoren gern mal richtig auf, rangieren, verankern die Boote und alles bei freudig lauter Musik. Ah – das ist also Brasilien!

 sonnenuntergang.jpg

Wir sind mitten in einer Freizeitmeile gelandet. Hier kommen Boots-Besitzer oder Mieter hin, die sich das Wochenendvergnügen leisten können. 500 Meter flussaufwärts kommt dann der Höhepunkt. Hier zelebriert man den Sonnenuntergang, auf brasilianisch. In 4 Restaurants mit Terrassen über den Fluss gebaut gibt’s bis in die Nacht hinein Livemusik. Als Auftakt und besondere Attraktion wird zum Sonnenuntergang der Bolero von Ravel gespielt.

 sunset-saxofonist.jpg

Der Saxophonist  im weißen Gewand im Canoe stehend, wird  von einem zweiten Mann vor den Restaurants hin und her gepaddelt. Jeden Abend seit über 12 Jahren (damit steht er sogar im Guiness Buch der Rekorde, weit über 4000 mal hat er den Bolero gespielt). Die Melodie wird live über alle Lautsprecher der Restaurants übertragen – echt romantisch inszeniert und am Ufer Imbiss, Kitschstände und Menschenmengen. Wir hören den Bolero auch noch bei uns an Bord.

jacare-2.jpg

Im großen Kontrast zu diesem touristischen Rummel entdecken wir das Straßendorf Jacaré. Eine Reihe bunter Kleinst-Häuser, rechts und links der Straße durch die alle Motorbootbesitzer fahren. In der Dämmerung bei elektrischem Licht kann man in die vorderen, meist nur durch Stoffe abgeteilten Räume gucken – Fernseher, Kühlschrank und Sofa stehen da fast überall. Am meisten beeindruckt mich der Lebensraum eines Fischers, es sieht mehr nach Werkstatt als nach Haus aus. Mitten zwischen Regalen mit allerlei Gläsern und Gerätschaften, Fernseher und im Raum verteilten Netzen ruht er in seiner Hängematte.

jacare.jpg

 

Es ist heiß. Auch bei uns an Bord ist es heiß. Unter Deck nachts 28°, tagsüber bis 35°. Und das trotz Schattensegel, die Jens über´s Cockpit und unserer Schlafkoje verspannt hat. Draußen ist die Wärme (38°) erträglicher, da meist ein Lüftchen weht.  Dennoch – ich bin auch gerne mal unter Deck. Denn ich merke: unter Deck bin ich zuhause und mit zwei Schritten ins Cockpit bin ich in Brasilien – wunderbar, so einfach dazwischen wählen zu können.

 

chiloe-mit-schattensegeln.jpg

 
Die Karte unseres Brasilien-Reiseführers hat einen brauchbaren Maßstab (1cm=22km), dennoch finden wir viele Orte in unserer Gegend nicht darauf. Dieses Land ist einfach riesig. Brasilien ist in etwa so groß wie alle Länder Europas zusammen, einschließlich Russland oder doppelt so groß wie Indien, 5000 km die längste Nord-Süd wie auch Ost-West Entfernung. Hier im Nordosten gibt’s nichts Besonderes  zu sehen, außer ein paar schönen Stränden sagen Alle. Wir fahren trotzdem los, um zu gucken, wo wir hier gerade leben. Leon hat ein Auto gemietet und um 7 Uhr gehen wir zu Dritt auf Erkundungstour.  Mal sehen was das „Nichts“ zu bieten hat, wie es hier im Landesinneren aussieht, eine Fahrt ins Blaue.

Wir fahren auf einer großen vierspurigen Autopista gen Westen, auf den ungesicherten Randstreifen kommen uns mal Radfahrer, Reiter oder Fuhrwerke entgegen, die von Eseln oder Pferden gezogen werden. Nach knapp zwei Stunden wollen wir Frühstücken. Raststätten gibt es nicht, und selbst Ausfahrten sind selten. Wir finden ein paar Arbeiter am Straßenrand zu einer Ausfahrt, sie zeigen auf ein nahes Haus, wo man frühstücken kann. An der Autobahn lasen wir auf einem Schild: piscina Bar…., doch wo sollte das sein? Kein weiteres Schild, nur dank des Hinweises sehen wir es. Ein Grundstück mit Garten, einer Veranda auf der mehr als ein Tisch mit Stühlen steht, hübsche Blumenbeete säumen den Weg und eine Frau mit drei Kindern, die abwartend schauen. Während wir langsam aussteigen und uns fragend umschauen, kommt ein Mann in Arbeitskleidung und Gummistiefeln auf uns zu begrüßt uns sehr freundlich und bestätigt, ja hier gibt es Frühstück. Wir fühlen uns wie private Gäste, werden zu den Tischen geführt und aus dem Haus  kommt seine Frau herbei. Wir zählen auf, was wir gerne zum Frühstück hätten: Ananas, Brot, Eier, Kaffee.

 

joaos-familie.jpg

 

Und dann geht’s los. Der Bauer schickt jemanden Brot zu holen, bei Verwandten im 500m entfernten Haus. Er geht zur Kokospalme, wir sehen zu wie er mit einer Art Axt Nüsse herunterholt, als erstes bekommen wir dann frische Kokosnussmilch zu trinken. Dann kommt ne Kanne Kaffee, Ananas, Ananassaft, ein Teller mit Früchten, Brot und leckere gebratene Eier. Alles super köstlich. Die Frau zeigt uns die roten Caju-Früchte, von denen wir die Cashewkerne kennen und weist auf die Felder, wo die Ananas wachsen. Dann wird uns die Familie vorgestellt, und ein professionelles Fotoalbum hergeholt, dass die Hochzeit der Tochter zeigt.

Anschließend sind wir eingeladen Haus und Hof anzusehen. Uns werden die fremden Bäume und Früchte vorgestellt und wir werden über die Felder zu verschiedensten Pflanzen geführt. Es gibt eine wunderbare Lektion, alles auf brasilianisch natürlich, wovon wir zwar nur einen Teil verstehen, doch die Erklärungen sind sehr anschaulich. Joao ist sein eigener Herr, er spricht mit großer Liebe zur Natur, bescheiden, aber stolz zugleich – beeindruckend in seiner Ruhe und Zufriedenheit.

joaoananasfeld.jpg

Wir sehen erstmals Felder mit Ananaspflanzen, Yams und Maniok und einen Vanillebaum. Nach gut zwei Stunden geht’s weiter, ein Schauer beendet unseren Rundgang auf dem uns mehrere Kilo Maniok und Yamswurzeln mit bloßen Händen ausgegraben wurden und wir für unterwegs noch drei Kokosnüsse und super leckere Ananas geschenkt werden. Zahlen dürfen wir nur das Frühstück, reich beschenkt verabschieden wir uns und fahren weiter. So beginnt unser Tag mit einem Höhepunkt, der ein vielfaches intensiver war, als touristische Attraktionen.

zuckerrohrfelder.jpg

 

Wir fahren weiter ins Land, die Landschaft wechselt, es wird hügelig und wir fahren durch riesige Zuckerrohrfelder.

zuckerrohr2.jpg

Am Rio Paraíbo weit flußaufwärts von unserer Marina machen wir einen Stopp schauen einigen Jungs, die durch den Fluss waten beim Fischfang mit Wurfnetzen zu.

 fischende-jungs.jpg

Wir essen in einem Kilo-Restaurant. Diese Lokale sind prima, es gibt freie Auswahl am Büffet und man bezahlt nach Gewicht, hier im Landesinneren auch noch sehr günstig, für 3,50 € pro Person.
Zum Abschluss des Tages sind wir wieder an der Küste und schauen ein paar Strände südlich von Joao Pessoa, unserer nächsten größeren Stadt an. Nette kleine Bars am Strand, eine Flußmündung und ein wenig Steilküste, wo Leon gerne Drachenfliegen möchte. Doch dazu ist heute leider zuviel Wind und der dann auch noch aus der falschen Richtung. 

atlantikkuste.jpg

Wir leben ein recht geselliges Leben in der französisch geführten Marina, in der zur Zeit viele Franzosen leben. (So bleiben auch hier in Brasilien unsere Französischkenntnisse weiterhin gefragt.) Eines Tages beobachte ich wie im Fitnessraum massiert wird. Callune, ein allein segelnder Franzose in unserem Alter, gibt energetische Massagen. Jens wird durch seine magischen Hände seine schmerzenden Verspannungen in der Schulter los und ich komme ebenfalls in den Genuss seiner Massage. Simon, ein Freund von ihm, ist ausgebildeter Feuerwehrmann. Er schaut sich Jens Brandwunde an, versorgt sie fachmännisch und gibt uns/mir Tipps zur weiteren Behandlung der Wunde. Als Wellcome-Party für seine Frau und einen Freund arrangiert Leon einen Grillabend, an dem wir mit sieben Franzosen zehn Langusten verspeisen.

 langusten-essen-kl.jpg

 

Christoph,  unser TO-Ansprechpartner, (Trans Ocean e.V.) lebt seit über 10 Jahren auf seinem Katamaran in Brasilien und ist ein äußerst entgegenkommender und freundlicher Mensch. Er gibt uns manche gute Tipps, hilft Jens beim Austausch des Impellers und versorgt uns zudem mit gefiltertem Frischwasser. Kurz vor unsere Weiterfahrt lernen wir Ewen und Cyntia von der Ashanti kennen. Beim dänischen Einhandsegler hat eine brasilianische Frau angeheuert. Endlich mal eine Brasilianerin! Ich freue mich darüber, gehe mit ihr Fisch kaufen und lasse mich in die brasilianische Küche einführen. Eigentlich ist Cyntia Künstlerin und erfolgreiche Dozentin und zeigt uns einige ihrer Arbeiten. Die Ashanti ist auf dem Weg nach Norden, zu den Azoren und Ewen gibt uns gleich einige Tipps für unsere Reise nach Süden. Schon jetzt wissen wir, dass wir auch in der Bucht von Salvador wieder nette und hilfreiche Menschen treffen werden.
So geht es dann nach 12 Tagen in der Marina Jacaré und leben auf dem Fluß Paraíba weiter gen Süden. Wir freuen uns – endlich wieder auf dem Meer!!!