Donnerstag (12.4.12)
500 km in eineinviertel Stunden – so schnell sind wir schon lange nicht mehr gereist! Wir freuen uns auf brasilianisches Familienleben und sind gespannt ein Stück Binnenland von Brasilien kennenzulernen. Thomas Lehmann, ein gebürtiger Essener, erwartet uns am Flughafen in Belo Horizonte. Schon im Auto gibt es viel zu erzählen (auf deutsch!) und wir schauen neugierig auf die sanfte Hügellandschaft und die moderne Großstadt. Nach eineinhalb Stunden Autofahrt haben wir die Stadt durchquert und kommen im Süden von Belo am neuen Haus unserer Gastgeber an.
Wow, moderne Architektur vom Feinsten, das hatten wir nicht erwartet. Wir wohnen im Gästezimmer auf der untersten Etage des 3-stöckigen Hauses am Steilhang. Eine große Terrasse mit Churrasco-Bar, Pool und Panoramablick über die Stadt direkt vor der Tür. Thomas brasilianische Ehefrau Luciana und die fünfzehnjährige Tochter Deborah empfangen uns herzlich und bei einem leckeren Abendbrot erzählen wir von unserer Reise und sie vom Leben in Brasilien.
Freitag (13.4.)
Als erstes genießen wir ein unmittelbar funktionierendes, stabiles Internet zu haben und stürzen uns auf die Arbeit an unseren Rechnern (Bankauszüge, bürokratische Mails, Fotos sortieren und mein nächstes Programm für die Studienreise nach Basel). Außerdem freuen wir uns, hier komfortabel unsere Wäsche waschen zu können (davon haben wir reichlich mitgebracht), denn Waschsalons sind in Brasilien nicht immer leicht zu finden und Wäschewaschen damit ein zeitaufwendiges Thema. Während Jens aus mehreren tausend Bildern (von 3 Kameras) eine erste Auswahl unserer Reisebilder zusammenstellt, fährt Luciana dann nachmittags mit mir zur Markthalle. Ich bin interessiert Namen und Zubereitung einiger mir noch unbekannt geblieben Früchte und Gemüse kennenzulernen. Glücklich kommen wir mit einem kleinen Sortiment nach Hause, wo Thomas ein feines Churrasco zubereitet an das wir noch immer sehnsüchtig denken. Fleisch wird in Brasilien ganz anders geteilt und zubereitet als wir es kennen, köstlich!!
Für das Wochenende werden zwei Ausflüge in die Umgebung geplant, damit wir etwas von der Schönheit des Staates Minas Gerais ( Allgemeine Mienen) erleben können. Thomas ist Projektleiter für den Bau modernster Hochöfen und so gibt es durchaus eine Verbindung zum Ruhrgebiet.
Samstag (14.4.) fahren wir mit Thomas und Luciana nach Ouro Preto (schwarzes Gold), ein im 18. Jahrhundert entstandenes Goldgräber Städtchen, das aus dieser Zeit eine Fülle barocker Kirchen besitzt und noch heute ein sehr koloniales Aussehen hat. Für diese homogenste und umfangreichste barocke Kunst- und Architektursammlung in Brasilien wurde Ouro Preto schon 1980 zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt. Heute lebt dieser Ort zu 80% vom einfachen Bergbau und ist zu dem ein touristisches Ziel. Es wird besonders gern von brasilianischen Studenten besucht, die hierher zum Feiern anreisen. Denn viele der historischen Kolonialhäuser stehen ihnen als sogenannte Repúblicas (WG-Wohnräume) gratis zur Verfügung. Wir bummeln durch den Ort und finden mittags ein nettes Kilo-Restaurant (man zahlt das Essen nach Gewicht). Dort probieren wir vorsichtig das typische Samstagsessen, eine Feijoada (Bohneneintopf mit diversen Fleischeinlagen wie Schweinefüße und -ohren ). Auf Thomas Empfehlung stellen wir uns jedoch lieber ein typisches Minero Mittagsmahl zusammen mit Bohnen, Gemüse, Reis, Fleisch und Würsten und einem Spiegelei obendrauf.
Ein kleiner Spaziergang um den auf 1200 Meter hoch liegenden Ort rundet den Besuch ab. Abends sitzen wir noch im schönen Hof und essen leckere Pizza in Belo. Pizzen sind in Brasilien wie schon auf den Kap Verden äußerst beliebt. Bei so reich gefüllten Tagen, bleibt uns dann keine Power mehr für eine Sambanacht (ab 23 Uhr), auch wenn´s uns reizt.
Am Sonntag (15.4.) gehts früh los in die Berge, Natur pur. Nach zweieinhalb Stunden Autofahrt gen Norden in die Serra do Cipó, wobei die letzten 20 km über Staubstraßen gehen, kommen wir in dem Örtchen Santana do Riacho an. Ein besonders schöner und noch nicht so vielbesuchter Wasserfall ist unser Ziel. Wir wandern mit Thomas, Luciana und Deborah sowie der Familie ihres Freundes, zu neun Personen durch die Ebene mit See und Pferden (sieht aus wie im wilden Westen) ein Stück die Berge hinauf.
Ein Teil unserer Gruppe bleibt beim ersten kleineren Wasserfall und genießt den idyllischen Badeplatz. Wir anderen klettern über einen schmalen Pfad weiter hinauf, zur nächsten Ebene, die eine besondere und große Pflanzenvielfalt bietet. Begeistert fotografiert Ariane einige der unbekannten Pflanzen.
Dem schmalen Bach folgend, klettern wir weiter zum Fuße des Höhenzuges. Aus imposanter Höhe fällt hier das Wasser in ein tiefschwarzes Becken, das zum flacheren Rand orange ist. Das eisenhaltige Wasser hat auch die Steine gefärbt. Ein kurzes Bad im ziemlich kalten Bergwasser erfrischt ungemein.
Wir schwimmen zum Wasserfall rüber, unter dem man duschen kann (noch kälter!). Während Ariane und Thomas den Höhenzug noch ein Stück weiter hinauf steigen, filme und fotografiere ich noch begeistert Wasser in Bewegung.
Am unteren Wasserfall mit einem etwas wärmeren Badesee, treffe ich die anderen wieder. Herrlich diese Natur, deren Schönheit sich unglaublich dreidimensional auf der Wasseroberfläche spiegelt. Eine wunderbare Welt. Wir genießen es. Zurück im Dörfchen essen wir noch ein paar leckere Empanadas bevor wir uns bei Sonnenuntergang glücklich und erfüllt auf den Rückweg begeben.
Am Montag (16.4.) freuen wir uns über einen ruhigen Tag. Wir nutzen das Internet für Korrespondenz und bereiten uns auf den Besuch von Inhotim vor, denn dort gibt es so viel zu sehen, dass wir uns vorab auf der guten Website orientieren. Ariane skypt ausgiebig mit ihrer Familie und stellt dann die Küche auf den Kopf.
Ein Backofen! Nach 9 Monaten ohne, hat sie gleich viele Wünsche. Zunächst backt sie (gedacht für die Gastgeber) einen Apfelkuchen nach Art ihrer Mutter. Dann gibts ein Blech Cantuccini über das sich Luciana ganz besonders freut. Und als schließlich Thomas von der Arbeit nach Hause kommt, backen die Beiden zusammen aus einem deutschen Brotbackbuch von Thomas ein Brot, das gerade noch rechtzeitig zu einem späten Abendessen fertig wird.
Am Dienstag (17.4.) fahren wir mit einem Bus (knapp zwei Stunden) zum Instituto Cultural Inhotim ( www.inhotim.org.br ), dem bedeutendsten Museum für zeitgenössische Kunst in Brasilien, 60 km südlich von Belo Horizonte. Eine traumhafte Verbindung von Natur, Kunst und Architektur. Ein Mäzen und Bergbauunternehmer hat hier in hügeliger Lage eine einzigartige Mischung aus Kunstmuseum und botanischem Garten geschaffen. Luciana hat einen Kontakt hergestellt und mich als Künstler avisiert, daher werden wir von Carolina (Assistente de Curadores) erwartet. Sie begrüßt uns freundlich und gibt uns eine kleine Übersicht und einige Tipps zur Erkundung des Parks. Später treffen wir uns noch einmal in der Bibliothek und sprechen über meine Arbeiten. Natürlich bleibt ein Set Faltblätter dort, für die Kuratoren und die Bibliothek.
Wir wollen alles an (nur) einem Tag sehen, dazu nutzen wir den Shuttleservice und lassen uns mit Golfkarts durch Teile des Landschaftsparks fahren. Unter den 100 Kunstwerken gibt es viele große Installationen in eigenen Pavillons. Darunter spannende Werke von international bekannten Künstlern wie Chris Burden, Matthew Barney, Olafur Eliasson und Miguel Rio Branco, deren Arbeiten größtenteils schon mal auf einer der großen Biennalen oder der Dokumenta zu sehen waren.
Mittwoch (18.4.) schauen wir uns Belo Horizonte an, dabei sind wir besonders Oscar Niemeyer auf der Spur. Thomas hat uns mit Stadtplänen und nützlichen Infos hervorragend ausgestattet, sodass wir mit unseren, nur rudimentären portugiesisch Kenntnissen, die Stadt zielsicher durchqueren und in den 8 km außerhalb gelegenen Stadtteil Pampulha kommen. Hier sind die Hauptattraktionen der Stadt. In den 40er Jahren beauftragte der spätere Präsident Kubitschek den (damals noch unbekannten) Oscar Niemeyer und den Landschaftsplaner Burle Marx hier ein Stadtviertel anzulegen.
Um einen künstlichen See zieht sich eine 18 km lange Uferpromenade an der wir das Kunstmuseum und auf der einen Seite des Sees und eine kleine Kirche von Niemeyer auf der anderen besuchen.
Die kleine Igreja de Sao Francisco de Assis ist ein Schlüsselwerk Niemeyers, da es typische Formen vorwegnahm, mit denen er später in Brasilia berühmt wurde. Abends lassen wir den Tag beim Bier mit Thomas und Luciana in einer uriger Kneipe ausklingen.
Donnerstag fliegen wir wieder zurück. Eigentlich hätte der Ausflug ins Binnenland ja etwas kürzer sein sollen, aber bei so netten und engagierten Gastgebern, in so angenehmen Ambiente und mit so viel Programm war die Zeit schnell verflogen.