21. Bericht: Allein an Bord, Itaparica und Maragojipe

März 8th, 2012

 Allein an Bord beginne ich mit dringenden Arbeiten. Vor Allem das Unterwasserschiff muss gereinigt werden, es hat schon mindestens 1 cm dicken, grünen Bewuchs. Rau und erstaunlich hart fühlt sich das an, aber mit Spachtel und Schrubber geht’s ganz gut ab.

Mein Fuß ist endlich soweit, dass ich wieder schwimmen gehen kann und so bewaffne ich mich mit Flossen (geht so gerade über die neue Haut) und Taucherbrille und rücke dem Kraut zu Leibe. Zunächst mit dem Spachtel entlang der Wasserlinie, da, wo der Wasserpass (weißer Lack) schon eintaucht geht’s besonders schwer ab. Dann arbeite ich mich langsam nach unten vor. Luftholen, tauchen, schnell ein kleines Stück kratzen oder schrubben und schnell wieder auftauchen, weil die Luft am Ende ist. Puh, mühsam und anstrengender als ich dachte, eine halbe Stunde später liege ich erschöpft im Dingi, Pause…weitermachen. Nach 5 Tauchsessions an 2 Tagen ist es geschafft. Chiloë ist wieder glatt und blau bis zur Kielsohle.

Am Samstag gibt es einen traditionellen Markt in Maragojipe, 10 sm von Itaparica quer über die Bahia und dann noch mal 10 sm den Rio Paraguacu hinauf. Man sagt, dass die Bauern noch mit Eseln und Maultieren aus dem Hinterland kommen, um Obst, Gemüse und Tiere zu verkaufen. Da will ich hin!

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Rio Paraguacu

Emilia, ein junger Schweizer von der SY Marty Mc Fly fragt mich, ob er mitkommen könnte. Nach kurzer Bedenkzeit stimme ich zu, so ohne elektrischen Autopilot mit Tide und Strömung wäre es gar nicht schlecht einen zweiten Mann an Bord zu haben. Außerdem ist er Software Entwickler und bietet mir an, sich um meine PC Probleme zu kümmern und mir noch interessante Programme und Daten aufzuspielen. Da gibt es zum Beispiel einen globalen Tidenkalender, sämtliche Pilotcharts und Küstenguides und die neuesten Seekarten für das Navigationsprogramm Open CPN. Ja, auch wir navigieren schon mit dem Netbook, auch wenn die Papierkarten immer noch dabei sind. Eine Detailkarte für den Rio Paraguacu leihe ich von der SY Santana, denn bis Maragojipe reichen die elektrischen Karten nicht.

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Ich segle am Freitagnachmittags mit Emilia los, haben mal wieder herrlichen Wind, 4-5 Bft von achtern und schlängeln uns dann den Fluß hinauf (Tide beachten, dann schiebt der Strom mit 2 kn). Tolle Urwaldlandschaft, rote Klippen und grüne Ufer, knallrote Vögel fliegen vorbei, nur ein Areal, auf dem Bohrinseln gebaut werden sticht aus der Idylle etwas heraus, Brasilien eben. Abends dann himmlische Ruhe , 5-6 Yachten ankern vor der langen ‚Flussbrücke’, die mich an die Seebrücken an der Ostsee erinnert.

 

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Morgens, auf dem Weg zum Markt begegnen uns immer wieder Jungen mit Schubkarren. Sie machen den Transportservice für die Einkäufe, die Hausfrauen spazieren ganz entspannt nebenher – gute Idee eigentlich, oder? Und dann sind wir auf dem Markt, toll, vor allem diese Menschen… Ich glaube ein paar Bilder sagen mehr als viele Worte…

 

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Mit etwas geschicktem Handeln kann man sehr günstig einkaufen;  16 Apfelsinen für umgerechnet 1 Euro, 3 riesige Avocados für 1 Euro und Ananas für 75 Cent pro Stück eine halbe Bananenstaude für 1,50 und Limetten gleich 20 Stk. für 1 Euro, da kann man  jede Menge Caipis machen.

 

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Wieder zurück in Itaparica finde ich endlich Zeit und Muße meine künstlerische Arbeit wieder aufzunehmen. Etwas was mir seit einiger Zeit wirklich fehlte, mich manchmal recht unzufrieden machte, denn ich schätze meine Arbeit und sie gibt mir eine Menge. Ich baue einige kleine Skulpturen und merke, es tut richtig gut, etwas Neues zu schaffen! Eine erheblich größere Erfüllung als immer nur reparieren und Instand halten.

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Darüber hinaus fühle ich mich sehr wohl in diesem internationalen Seglerdorf (unserer Ankerbucht). Hier in Brasilien hat sich da noch einmal etwas deutlich verändert. Die Kommunikation und der Zusammenhalt der Segler ist hier viel höher als auf den Kanaren oder Kap Verden. Auch der Typ Segler hat sich noch einmal verändert. In Deutschland wurden wir noch bestaunt: ein ganzes Jahr segeln und nach Südamerika… Von La Coruna und bis zu den Kap Verden trafen wir dann viele Segler, die 3-4-5 Jahre Zeit (und Geld) hatten und um die Welt segeln. Jetzt treffen wir auf Menschen, die seit 10 Jahren, manche sogar seit 20 Jahren unterwegs sind und die dauerhaft auf Ihren Schiffen leben. Ich erwähnte schon Brian und Marta, die unterwegsin Australien zwei Kinder bekamen (mittlerweile 5 und 8 Jahre alt). Brian sitzt jeden Morgen wie ein Buddha meditierend auf dem Vordeck, danach werden die Kinder unterrichtet, die mindestens zweisprachig aufwachsen. Ron, ein Amerikaner, einige Jahre jünger als ich, ist seit 24 Jahren einhand unterwegs, kam mit seiner Nicholsen 32 durch den Beagle Kanal aus dem Pazifik. Nun hat er erstmal genug und segelt über die Karibik nach Hause (North Carolina).

Und da ist Shirly, eine zierliche, bescheidene und ganz zurückhaltende Frau aus Kapstadt, Südafrika. Mittlerweile 64 Jahre alt, ist sie seit 10 Jahren alleine mit ihrer Katze auf ihrer betagten Laurent Giles 25, Baujahr 1952, unterwegs. Mit dieser knatschgelben, nur 8 m langen Yacht segelte sie von Kapstadt nach Brasilien, über die Karibik in den Norden bis nach New York und Boston, und über die Azoren, Kanaren, Kap Verden wieder nach Brasilien und runter bis Buenos Aires. Nun ist sie erneut auf dem Weg in die Karibik. Hut ab!!! Vor so einer seglerischen Leistung. „Besser als in irgendeiner Wohnung jeden Tag vor dem Fernseher zu sitzen“ sagt sie. (Als Software Entwicklerin träumte sie schon immer vom Langzeitsegeln, traf einen Mann mit dem sie eine 12m Yacht kaufte. Doch als dieses Schiff nach 10 Jahren immer noch nicht reisefertig war, zweifelte sie an seinen Absichten und kaufte sich kurzerhand diese kleine Yacht und segelte alleine los.)

 

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Die Möglichkeiten und die Realität von Segeln und einem Leben an Bord gewinnen neue Dimensionen, wenn man mit solchen Menschen spricht…

 

Im Übrigen ist Itaparica ein wunderbarer Platz, um hier etwas mehr Zeit zu verbringen. Direkt hinter der Marina gibt es eine Quelle mit hervorragendem Trinkwasser. Bei jedem Landgang füllt man dort einige 5 l Wasserflaschen auf.

Es gibt nette Kneipen und Restaurants, bei denen die Preise vom günstigen Mittagstisch für 2 Euro bis zum Dinner für 20 Euro variieren. Und nicht unerheblich, es gibt kostenloses Internet, per WiFi bis aufs Schiff!. O.k., man muss ab und zu mal in der Bar Amigos ein Bier trinken, um den neuen Code zu erfahren, aber dort treffen sich sowieso Alle.

Ciao, bis bald, jetzt freue ich mich erstmal darauf, dass Ariane am Freitagabend wieder an Bord kommt.

 

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 Die Fischer von Itaparica

20. Bericht:Bahia de Salvador / Itaparica

März 8th, 2012

Mit Sonnenaufgang holen wir den Anker auf und motoren ohne Wind gen Südwesten. Heute Mittag wird die Sonne genau 90° über uns, im Zenit stehen. Eine Tag- und Nachtgleiche der besonderen Art. Auf dem Weg vom südlichen Wendekreis (23,5 °S) zum Äquator wandert der sogenannte Bildpunkt der Sonne (der Punkt, in dem die Sonne genau 90° senkrecht steht) alle 4 Tage einen Breitengrad weiter nördlich um die Erde (d.h. er rast mit ca. 1600 km/std .in 24 Std. einmal um die Erde) Heute haben wir seine Bahn gekreuzt (kam gerade knapp hinter uns durch…) und nun sind wir auch ‚sonnentechnisch’ auf der Südseite angekommen.

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Mittags kommt eine angenehme Brise auf und wir können Segel setzen. Tagsüber haben wir dann meistens 3-4 Bft und nachts 4-5 Bft , inkl. 1 kn Schiebestrom macht das 5-6 Kn über Grund. Die Eintragungen im Logbuch sagen: „herrliches Segeln mit halbem Wind“ (12.2.) und :“Super Segeltag bei angenehmem Wind und Welle“(13.2.), und so segeln wir am Morgen des Valengtinstages in die Bahia de todos os Santos (Allerheiligenbucht) hinein, an der Millionenstadt Salvador vorbei (Die Polizei streikt und man berichtete von gefährlichen Unruhen auf den Straßen), direkt zur Nordspitze der Insel Itaparica, denn dort gibt es eine kleine Marina und davor eine schöne Ankerbucht, die wir schon mehrfach empfohlen bekommen haben.

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Und sieh an – alle sind schon da: die SY Santana, SY Sandpiper und auch die SY Betty Boop, die alle mit uns von Mindelo aus gestartet waren, die halbe SSB-Funkrunde (siehe Bericht Atlantik) Großes Wiedersehen, gleich verabreden wir uns für den nächsten Tag, um alle gemeinsam mit dem Taxi zum großen Supermercado mitten auf der Insel zu fahren. Na, das ist ja ein schöner Empfang!

 

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Itaparica aus der Luft. Copyright: Leon Philibien (SY La Matine)

 Die Situation in Salvador wird heftig diskutiert. Die Meldungen schwanken zwischen ‚Mord und Totschlag auf den Straßen’ bis hin zu ‚ Alles gar kein Problem, das ist nur in den Favelas’. Sandpiper und Santana fahren trotzdem nach Salvador, Ach ja, es geht natürlich um den berühmten Karneval, der vor der Tür steht. Wir beschließen mit dem Schiff erstmal in Itaparica zu bleiben, am schönen und kostenlosen Ankerplatz und mit einigen Anderen abends mit der Fähre nach Salvador rüber zu fahren. Mittags dann die Meldung: „der Streik ist seit 4 Tagen vorbei, alles kein Problem und so findet sich ein äußerst internationale Gruppe von Seglern an der Fähre zusammen. Da sind Brian (Ire) und seine Frau Marta (Brasilianerin), Juan (Spanier) ist mit Jane (Neuseeland) verheiratet, Dan (Australien) und schließlich Chris (Südafrika) dessen Eltern hier ein Restaurant betreiben. Wir sind froh alsNeuankömmlinge dabei zu sein, vor allem auch weil Marta als Guide fungiert und die Kommunikation in Portugiesisch übernimmt. Außerdem ist man in einer Gruppe recht sicher.

Die Musik wummert bereits durch die Stadt und ist schon weit vor dem Hafen zu hören. Die Anderen wollen noch ein paar Bekannte in der Marina besuchen und so landen wir auf einer großen französischen Yacht, schnell sind 15 Personen im Cockpit und es entwickelt sich eine spontane Party. Eine große Schüssel!! Caipirinha wird angesetzt,die Bordmusik wird aufgedreht und die Stimmung steigt. Unsere Sprachkenntnisse sind mal wieder stark gefordert, hauptsächlich Französisch und Englisch, aber es ist auch ein Schweizer dabei, so dass zwischendurch auch noch etwas  Deutsch  gesprochen wird.

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 Drei Stunden später ziehen wir dann alle zusammen los, von den Gastgebern noch mit bunten Perücken ausgerüstet geht’s ins Getümmel des Pelerino (Altstadt). Zunächst kamen wir uns etwas komisch vor mit den Perücken, denn von den Zuschauern ist kaum jemand verkleidet, aber im Gedränge erweisen sie sich schon bald als markante Blickpunkte um die Anderen immer wiederzufinden. Marta organisiert einen richtigen Karnevalsguide, denn wir suchen die berühmteste Truppe OLODUM, die heute hier unterwegs sein soll. Es geht hin und her durch die Altstadt, über viele Plätze, alles scheint sehr unübersichtlich, überall Bands, Wagen, und Tanzgruppen, gelegentlich bleiben wir stehen und schauen einen Moment lang zu.

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Schließlich kommt auch Olodum mit mehreren Tanzgruppen in tollen Kostümen und einer großen Percussiongruppe hintendran. Olodum ist als politisch aktive Tanz- und Musikgruppe seit vielen Jahren eine feste Größe in Brasilien und besonders beim Karneval in Salvador. Ja und dann erlben wir erstmal die richtig großen Trio’s, die fahrenden Bühnen-LKW’s. Ich versuche Ariane etwas ins Ohr zu schreien, aber das ist aussichtslos, sie versteht nichts. Man muß einfach warten bis der Trio ein Stück weiter gefahren ist. Die sollen da mehr als 100 000 Watt drauf haben und das ist durchaus glaubwürdig.

 

Nachts um halb drei treten wir langsam müde den Rückweg an. Mit Taxi, Fähre und Sammelbus sind wir um 4 Uhr wieder an Bord, Wow!

 

Am nächsten Morgen finden wir dringende sms von Arianes Schwester und erfahren beim Anruf, dass ihr Vater ins Krankenhaus gekommen ist, der Zustand ist kritisch. Sofort schauen wir im internet nach Flügen, aber ihr Schwager Michael (selber Arzt) rät noch 2-3 Tage abzuwarten, wie sich sein Zustand entwickelt. Der wird zunächst besser und Ariane kann am Sonntag kurz mit ihrem Vater sprechen (über Skype). Am Montag buchen wir dann doch einen Flug für Dienstag Abend, aber schon morgens am Dienstag erreicht uns die Nachricht von seinem Tod. Wie gut, dass wir den Flug schon gebucht haben. Ariane packt das Nötigste und ich begleite sie noch mit der Fähre bis zum Hafen von Salvador. Dort verabschieden wir uns das erste Mal seit 7 Monaten und sie steigt in ein Taxi zum Flughafen. Morgen Abend wird sie in Deutschland sein.

 

19. Bericht: Maceo

März 8th, 2012

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Zügig laufen wir mit der Tide (2 kn Strömung) den Rio Paraíbo hinab und an Cabedelo vorbei aufs offene Meer hinaus. Aah – wie schön wieder türkis und blaues Wasser unter dem Kiel zu haben und einen freien Blick bis zum Horizont. Dort hinten segelt La Matine. Leon ist mit seiner Frau Silviane und Freund Jean ungefähr eine Stunde vor uns ausgelaufen. Bei wenig Wind fast von vorne müssen wir hoch am Wind um das Cabo Branco herum. Danach können wir abfallen und auf SSW-Kurs gehen. Wir schummeln ein bisschen und lassen den Motor mitschieben, anstatt  zu kreuzen. Nach zwei Stunden haben wir La Matine eingeholt und es gibt eine Fotosession. Wir fotografieren uns gegenseitig und freuen uns, dass wir endlich einmal Fotos von  Chiloë auf See bekommen. Die Skyline von Joao Pessoa gibt uns einen außergewöhnlichen Hintergrund dazu. Wir segeln den ganzen Tag in Sichtweite zueinander, bis La Matine am Abend nach Recife abbiegt.

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Wir wollen nach Maceo, denn dort soll es noch Jangadas geben, traditionelle Fischerboote unter Segeln, auch wenn sie hier allerdings nur noch im touristischen Einsatz sind. Nachts um 03 Uhr tasten wir uns langsam in die großräumige Bucht hinein, vorbei am Industriehafen mit einigen Frachtern, bis hinten in die Ecke, wo zahlreiche Fischerboote und nur 2-3 Segelyachten an Muringbojen bzw. vor Anker liegen. Die Fischer fahren jetzt zur ‚Arbeit’, einer nach dem anderen kommt uns entgegen. Wir legen uns erstmal schlafen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück stoppt ein einheimischer Katamaran neben uns auf und erklärt uns freundlich die Gegebenheiten vor Ort. Man kann am Yachtclub mit dem Dinghi anlanden, d.h. am Strand davor. Es gibt keine Marina und die Motoryachten werden mit dem Trecker aus dem großen Innenhof des Clubgeländes einfach über den Strand ins Wasser geslippt. Wir tragen unser Dinghi hinein und können es dort gut bewacht liegen lassen. Das ist hier wohl auch nötig, denn gleich nebenan ist eine Favela und man sollte nicht nachts dort herumlaufen… Wir machen uns auf den Weg zum Strand der Jangadas.

Merkwürdig – mehrfach sehen wir Männer in Frauenkleidern, mit Pömps und Perücke, im Minirock oder im kleinen Schwarzen stöckeln sie da über die Straße. Die Musik wird lauter und langsam dämmert es uns – Carnaval! Immer mehr Menschen sind auf dem Weg, auf der Strandstraße steht dann der Zug, noch wartend. Ja, hier beginnt schon heute der Carneval, die Jangadas sind vergessen und wir mischen uns unter das bunte Volk, kaufen uns ne Dose Bier und suchen einen guten Platz am Straßenrand.

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Nach einiger Warterei setzt sich der Zug in Bewegung, sehr langsam, immer wieder haltend (die müssen ja noch ein paar Tage durchhalten) kommen Tanz- und Musikgruppen vorbeigelaufen. Danach dann die Trio’s. Das sind fahrende Bühnen, LKW’s mit Bergen von Lautsprecherboxen beladen und obendrauf, auf der ‚Dachterrasse’ die Band – in Brasilien natürlich Live-Musik.

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Carnaval in Maceo – ein Trio

Bei locker 35-38°C haben wir nach einigen Stunden genug vom Stehen im Getümmel, sind hungrig und durstig und setzen uns nur 100m weiter an den Strand, wie praktisch. Auch hier ist die Musik noch gut zu hören und viele bunte Gestalten mischen sich mit den Badenden. Ein neues Strandgefühl, vor allem mit der Geräuschkulisse. Gestärkt von gegrillten Fleischspießen und kühlen Getränken, die wir an einem der zahlreichen Stände kaufen, schauen wir aufs Meer und die jetzt zurückkehrenden Jangadas.

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Heute klappt es also mit einer Tour auf so einer Jangada nicht mehr, für mich war es ohnehin fraglich, ob ich mit meiner noch nicht verheilten Brandwunde, einen Bootsausflug zum Riff hätte wagen können, denn mein Fuß sollte noch nicht ins Salzwasser.

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Ariane gönnt sich ein Bad in der Masse, sie geht schwimmen zwischen all den Brasilianern, die bis zu den Hüften im 28 C warmen Wasser stehen und plaudern. Ich beneide sie darum, doch ich will den Heilungsprozess meiner Wunde nicht gefährden und verzichte auf´s baden. Zum Sonnenuntergang sind wir zurück an Bord; ein erfüllter Tag. Statt noch am selben Abend auszulaufen, beschließen wir in Ruhe zu kochen und entspannt zu dinieren, gleichzeitig, statt abwechselnd zu schlafen, und morgen ganz früh weiter zu segeln.


Traurige Nachricht: außerplanmäßiger Heimataufenthalt

März 4th, 2012

Nach kurzem (36 Std) Zwischenstopp in Maceo, sind wir am Dienstag, 14. Februar in der Bucht von Salvador de Bahia angekommen. In der Heimat wurde am Ende dieses Tages mein Vater wegen Unwohlsein ins Krankenhaus eingeliefert und über Nacht eine Leukämie diagnostiziert. Eine Woche später erlag er dieser plötzlichen, sehr aggressiven Erkrankung. Ich bin derzeit bei meiner Mutter und Familie in Hagen und fliege am 9. März zurück nach Salvador de Bahia, wo Jens und die Chiloë auf mich warten. Wie es dort und in Itaparica aussieht, wo die Chiloë zur Zeit vor Anker liegt, darüber gibt es demnächst mehr auf dieser Seite.

Übrigens: Zu unseren Berichten Sturm und Fernando de Noronha konnten wir inzwischen auch Fotos einstellen, also noch mal hinschauen.

18. Bericht: Brasilien (2) – Cabedelo

März 4th, 2012

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Von Fernando de Noronha segeln wir in 48 Stunden nach Cabedelo. In der ersten Nacht folgt uns stundenlang achteraus an backbord ein Schlepper, den wir vor Fernando de Noronha mit einer Schute voller Müll ankern sahen. Unzählige rosa Plastiksäcke mit Müll, der nicht auf der Insel recycelt werden kann und ans Festland transportiert wird. Er nähert sich nur sehr langsam, doch dann ist er relativ plötzlich unangenehm nah und seine Fahrtrichtung ist schwer auszumachen. Ich versuche auszuweichen, doch  da hat auch er seinen Kurs geändert. Ich wecke Jens, wir machen zusätzlich die Decksbeleuchtung an, sodass unsere Segel zu sehen sind und wir weichen erneut aus. Der Schlepper leuchtet mit einem Suchscheinwerfer zu uns herüber und wir verstehen endlich seinen Kurs. Nur eine radikale Kursänderung um 90 Grad bringt uns aus der Gefahrenzone, puh – da war nicht mehr viel Spielraum.
Zwei Stunden später kommt uns ein Fischerboot quer vor den Bug gefahren. Angler, 15 sm vor der Küste, in kleinen offenen Booten ohne Licht!, erst bei Annäherung von anderen Schiffen machen sie ein Licht an. Das Ausweichmanöver war nicht weniger knapp, nur waren wir diesmal das größere Boot.

 

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Nach verlangsamter Fahrt, mit 2 Reffs in Groß und Genua nähern wir uns mit 3-4 kn wie geplant zum Sonnenaufgang der Küste. Aus der Ferne erinnert die Skyline von Joao Pessoa an Manhattan. Doch wir fahren passend mit dem Hochwasser bei Cabedelo in den Fluß Paraíbo und 4 sm flußaufwärts bis nach Jacaré. Es soll laut Hafenhandbuch der romantischste Ort Brasiliens sein, wo wir morgens um 8 Uhr Ortszeit festmachen.

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Eine kleine Marina, von Philipe, einem Franzosen, geführt. Gut ein Dutzend Seglerkommen uns entgegen. Eine französische Atlantik-Regatta wie wir später hören und von Cabedelo zum Amazonas fahren. Unserem Einhandsegler Leon, der uns wieder einen Tag folgt, begegnen die zahlreichen Segelboote zu seiner Verwunderung nachts auf dem Atlantik und rauben ihm den Schlaf.

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Neben der Marina Jacaré ist ab 9 Uhr der Bär los. Motorboote verschiedenster Größe werden am Nachbarsteg von einem Trecker zu Wasser gelassen. Knapp 20 Brasilianer sind den halben Tag damit beschäftig, die Boote zu Wasser zu lassen und später wieder raus zu holen. Dabei drehen sie die 200 PS Motoren gern mal richtig auf, rangieren, verankern die Boote und alles bei freudig lauter Musik. Ah – das ist also Brasilien!

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Wir sind mitten in einer Freizeitmeile gelandet. Hier kommen Boots-Besitzer oder Mieter hin, die sich das Wochenendvergnügen leisten können. 500 Meter flussaufwärts kommt dann der Höhepunkt. Hier zelebriert man den Sonnenuntergang, auf brasilianisch. In 4 Restaurants mit Terrassen über den Fluss gebaut gibt’s bis in die Nacht hinein Livemusik. Als Auftakt und besondere Attraktion wird zum Sonnenuntergang der Bolero von Ravel gespielt.

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Der Saxophonist  im weißen Gewand im Canoe stehend, wird  von einem zweiten Mann vor den Restaurants hin und her gepaddelt. Jeden Abend seit über 12 Jahren (damit steht er sogar im Guiness Buch der Rekorde, weit über 4000 mal hat er den Bolero gespielt). Die Melodie wird live über alle Lautsprecher der Restaurants übertragen – echt romantisch inszeniert und am Ufer Imbiss, Kitschstände und Menschenmengen. Wir hören den Bolero auch noch bei uns an Bord.

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Im großen Kontrast zu diesem touristischen Rummel entdecken wir das Straßendorf Jacaré. Eine Reihe bunter Kleinst-Häuser, rechts und links der Straße durch die alle Motorbootbesitzer fahren. In der Dämmerung bei elektrischem Licht kann man in die vorderen, meist nur durch Stoffe abgeteilten Räume gucken – Fernseher, Kühlschrank und Sofa stehen da fast überall. Am meisten beeindruckt mich der Lebensraum eines Fischers, es sieht mehr nach Werkstatt als nach Haus aus. Mitten zwischen Regalen mit allerlei Gläsern und Gerätschaften, Fernseher und im Raum verteilten Netzen ruht er in seiner Hängematte.

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Es ist heiß. Auch bei uns an Bord ist es heiß. Unter Deck nachts 28°, tagsüber bis 35°. Und das trotz Schattensegel, die Jens über´s Cockpit und unserer Schlafkoje verspannt hat. Draußen ist die Wärme (38°) erträglicher, da meist ein Lüftchen weht.  Dennoch – ich bin auch gerne mal unter Deck. Denn ich merke: unter Deck bin ich zuhause und mit zwei Schritten ins Cockpit bin ich in Brasilien – wunderbar, so einfach dazwischen wählen zu können.

 

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Die Karte unseres Brasilien-Reiseführers hat einen brauchbaren Maßstab (1cm=22km), dennoch finden wir viele Orte in unserer Gegend nicht darauf. Dieses Land ist einfach riesig. Brasilien ist in etwa so groß wie alle Länder Europas zusammen, einschließlich Russland oder doppelt so groß wie Indien, 5000 km die längste Nord-Süd wie auch Ost-West Entfernung. Hier im Nordosten gibt’s nichts Besonderes  zu sehen, außer ein paar schönen Stränden sagen Alle. Wir fahren trotzdem los, um zu gucken, wo wir hier gerade leben. Leon hat ein Auto gemietet und um 7 Uhr gehen wir zu Dritt auf Erkundungstour.  Mal sehen was das „Nichts“ zu bieten hat, wie es hier im Landesinneren aussieht, eine Fahrt ins Blaue.

Wir fahren auf einer großen vierspurigen Autopista gen Westen, auf den ungesicherten Randstreifen kommen uns mal Radfahrer, Reiter oder Fuhrwerke entgegen, die von Eseln oder Pferden gezogen werden. Nach knapp zwei Stunden wollen wir Frühstücken. Raststätten gibt es nicht, und selbst Ausfahrten sind selten. Wir finden ein paar Arbeiter am Straßenrand zu einer Ausfahrt, sie zeigen auf ein nahes Haus, wo man frühstücken kann. An der Autobahn lasen wir auf einem Schild: piscina Bar…., doch wo sollte das sein? Kein weiteres Schild, nur dank des Hinweises sehen wir es. Ein Grundstück mit Garten, einer Veranda auf der mehr als ein Tisch mit Stühlen steht, hübsche Blumenbeete säumen den Weg und eine Frau mit drei Kindern, die abwartend schauen. Während wir langsam aussteigen und uns fragend umschauen, kommt ein Mann in Arbeitskleidung und Gummistiefeln auf uns zu begrüßt uns sehr freundlich und bestätigt, ja hier gibt es Frühstück. Wir fühlen uns wie private Gäste, werden zu den Tischen geführt und aus dem Haus  kommt seine Frau herbei. Wir zählen auf, was wir gerne zum Frühstück hätten: Ananas, Brot, Eier, Kaffee.

 

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Und dann geht’s los. Der Bauer schickt jemanden Brot zu holen, bei Verwandten im 500m entfernten Haus. Er geht zur Kokospalme, wir sehen zu wie er mit einer Art Axt Nüsse herunterholt, als erstes bekommen wir dann frische Kokosnussmilch zu trinken. Dann kommt ne Kanne Kaffee, Ananas, Ananassaft, ein Teller mit Früchten, Brot und leckere gebratene Eier. Alles super köstlich. Die Frau zeigt uns die roten Caju-Früchte, von denen wir die Cashewkerne kennen und weist auf die Felder, wo die Ananas wachsen. Dann wird uns die Familie vorgestellt, und ein professionelles Fotoalbum hergeholt, dass die Hochzeit der Tochter zeigt.

Anschließend sind wir eingeladen Haus und Hof anzusehen. Uns werden die fremden Bäume und Früchte vorgestellt und wir werden über die Felder zu verschiedensten Pflanzen geführt. Es gibt eine wunderbare Lektion, alles auf brasilianisch natürlich, wovon wir zwar nur einen Teil verstehen, doch die Erklärungen sind sehr anschaulich. Joao ist sein eigener Herr, er spricht mit großer Liebe zur Natur, bescheiden, aber stolz zugleich – beeindruckend in seiner Ruhe und Zufriedenheit.

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Wir sehen erstmals Felder mit Ananaspflanzen, Yams und Maniok und einen Vanillebaum. Nach gut zwei Stunden geht’s weiter, ein Schauer beendet unseren Rundgang auf dem uns mehrere Kilo Maniok und Yamswurzeln mit bloßen Händen ausgegraben wurden und wir für unterwegs noch drei Kokosnüsse und super leckere Ananas geschenkt werden. Zahlen dürfen wir nur das Frühstück, reich beschenkt verabschieden wir uns und fahren weiter. So beginnt unser Tag mit einem Höhepunkt, der ein vielfaches intensiver war, als touristische Attraktionen.

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Wir fahren weiter ins Land, die Landschaft wechselt, es wird hügelig und wir fahren durch riesige Zuckerrohrfelder.

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Am Rio Paraíbo weit flußaufwärts von unserer Marina machen wir einen Stopp schauen einigen Jungs, die durch den Fluss waten beim Fischfang mit Wurfnetzen zu.

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Wir essen in einem Kilo-Restaurant. Diese Lokale sind prima, es gibt freie Auswahl am Büffet und man bezahlt nach Gewicht, hier im Landesinneren auch noch sehr günstig, für 3,50 € pro Person.
Zum Abschluss des Tages sind wir wieder an der Küste und schauen ein paar Strände südlich von Joao Pessoa, unserer nächsten größeren Stadt an. Nette kleine Bars am Strand, eine Flußmündung und ein wenig Steilküste, wo Leon gerne Drachenfliegen möchte. Doch dazu ist heute leider zuviel Wind und der dann auch noch aus der falschen Richtung. 

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Wir leben ein recht geselliges Leben in der französisch geführten Marina, in der zur Zeit viele Franzosen leben. (So bleiben auch hier in Brasilien unsere Französischkenntnisse weiterhin gefragt.) Eines Tages beobachte ich wie im Fitnessraum massiert wird. Callune, ein allein segelnder Franzose in unserem Alter, gibt energetische Massagen. Jens wird durch seine magischen Hände seine schmerzenden Verspannungen in der Schulter los und ich komme ebenfalls in den Genuss seiner Massage. Simon, ein Freund von ihm, ist ausgebildeter Feuerwehrmann. Er schaut sich Jens Brandwunde an, versorgt sie fachmännisch und gibt uns/mir Tipps zur weiteren Behandlung der Wunde. Als Wellcome-Party für seine Frau und einen Freund arrangiert Leon einen Grillabend, an dem wir mit sieben Franzosen zehn Langusten verspeisen.

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Christoph,  unser TO-Ansprechpartner, (Trans Ocean e.V.) lebt seit über 10 Jahren auf seinem Katamaran in Brasilien und ist ein äußerst entgegenkommender und freundlicher Mensch. Er gibt uns manche gute Tipps, hilft Jens beim Austausch des Impellers und versorgt uns zudem mit gefiltertem Frischwasser. Kurz vor unsere Weiterfahrt lernen wir Ewen und Cyntia von der Ashanti kennen. Beim dänischen Einhandsegler hat eine brasilianische Frau angeheuert. Endlich mal eine Brasilianerin! Ich freue mich darüber, gehe mit ihr Fisch kaufen und lasse mich in die brasilianische Küche einführen. Eigentlich ist Cyntia Künstlerin und erfolgreiche Dozentin und zeigt uns einige ihrer Arbeiten. Die Ashanti ist auf dem Weg nach Norden, zu den Azoren und Ewen gibt uns gleich einige Tipps für unsere Reise nach Süden. Schon jetzt wissen wir, dass wir auch in der Bucht von Salvador wieder nette und hilfreiche Menschen treffen werden.
So geht es dann nach 12 Tagen in der Marina Jacaré und leben auf dem Fluß Paraíba weiter gen Süden. Wir freuen uns – endlich wieder auf dem Meer!!!

 

16. Bericht: Die Atlantiküberquerung

Februar 20th, 2012

Dienstag 10. Januar 2012  Position: Brava, Cabo Verde

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Brava war sehr schön, wir blieben drei Tage und genossen es. Faja de Agua, der kleine Ort in unserer Ankerbucht, war sehr beschaulich. Frische Langusten wurden uns direkt am Ankerplatz angeboten – sie schmeckten köstlich!

 

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Zum zweiten Mal starten wir zur Atlantiküberquerung. Endlich mal ganz in Ruhe alles fertig machen und dann, nach dem Frühstück und zack 🙂 um 15 Uhr gehen wir Anker auf. Bei NE 5 Bft geht’s zügig los, dabei ist die Welle mit 1-2 m sehr moderat. Gegen Abend flaut der Wind etwas ab und es gibt nen Pastis als Sundowner und dann leckere, vorgekochte Kartoffelsuppe. Die Suppe verdanke ich der Tatsache, dass wir schon zu oft für die bevorstehende Atlantiküberquerung eingekauft hatten und jetzt in Brava, bei der wirklich letzten Einkaufsmöglichkeit, die bereits verbrauchten Frischwaren nicht mehr alle aufgefüllt haben.

 Ungläubig starren wir in das Gemüsefach und dann uns an: „Du willst doch nicht sagen, dass wir mit 5 kleinen, schrumpeligen Möhren über den Atlantik segeln??? Und das, wo wir gerade die optimale Lagerung von Möhren (z.B. in Sand gebettet) wochenlang getestet hatten. Möhren-Kürbissuppe mit Ingwer sollte es eigentlich geben, nun … ich liebe ja Kartoffelsuppe. Unsere erste Nacht auf See ist wunderschön, ruhige See bei 3 Bft und silbernem Mondschein schenkt uns dann die Hoffnung auf eine angenehme Reise.

 

Mittwoch 11. Januar (1. Seetag) / Position 13°43’N 25°36W (12 h UTC)

Um 8 Uhr morgens begegnet uns Platon, ein Containerfrachter auf dem Weg gen Europa. Der Wind hat weiter nachgelassen und wir setzen den Spi (Spinnaker, bauchiges Segel für leichten Wind) reißen dabei einen 30 cm langen Winkel ins Tuch und holen ihn schnell wieder runter. Wir sehen ihn durch und reparieren mit dem Tape gleich noch einige kritische Nahtstellen.

 

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Um 17 Uhr steht er dann endlich und ich springe gleich auf den Spibaum um die Perspektive von dort oben zu genießen.

Trotz unseres nun um 5 Tage verzögerten Aufbruchs, bleiben wir Teil der Kurzwellenfunkrunde Brasil-Net. Die anderen Yachten: Santana (NL), Betty Boop (NL), Sandpiper (GB), Ganesh (F) und die Argo (NL), mit der wir schon gemeinsam von La Gomera nach Sal unterwegs waren. Sie sind auch auf dem Weg nach Brasilien, uns jetzt allerdings schon 600 sm voraus.

Wir können Kurzwelle (KW) nur empfangen, nicht senden. Die SY Santana fungiert daher als Relaisstation. Wir senden ihr unsere Positionsmeldung per Sat-Telefon als sms und Trees oder Jon lesen sie dann über SSB (KW-Funk) vor. Von der SY Argo hören wir ab und zu den neuesten Wetterbericht, allein für unsere Position, sie sind als einzige auf dem Weg nach Surinam. Ich staune wie gut unser kleiner LOWE 150 SSB Empfänger funktioniert. Über die Achterstag-Antenne können wir die andern Schiffe über Distanzen von 600-1000 sm (fast 2000 km) gut empfangen. Es fühlt sich gut an, über diese ozeanische Funkrunde mit Menschen in ähnlicher Situation verbunden zu sein.

 

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Ein richtiges Wettercoaching macht mein Freund und Segler Martin. Alle 3 Tage rufen wir ihn über unser Satellitentelefon (I-satphone, inmarsat) an und bekommen die neueste Wetterberatung direkt aus dem Internet mit Kursempfehlungen: immer weiter nach Westen gehen, da sich ein Hoch mit Flaute von der afrikanischen Küste über den Atlantik schiebt. (Ein direktes downloaden der Gripfiles erwies sich als langwierig und damit sehr teuer).

Zudem sprechen wir gelegentlich mit Arianes Schwester Yara, die home management & service für uns macht und mit ihren Eltern.

Noch nicht genug der Kommunikation, gleich zwei französische Segelyachten starten am selben Tag von Brava in Richtung Brasilien. Die SY Horizons, ein 45 ft Katamaran entschwindet schnell außer Reichweite und Leon, ein Fotograf, alleine mit seiner SY La Matine unterwegs, folgt uns eine Stunde später. Da wir anfangs mit dem Spi schneller sind als er, entsteht ein Abstand von 100 sm, der relativ konstant bleibt, so ist er einen Tag hinter uns. Täglich tauschen wir die Mittagsposition und kleine Anekdoten unseres täglichen Bordlebens per sms (Sat-tel.) aus. Und dann meldet sich auch noch die SY Rufus II, Marion und Harald sind auf dem Weg in die Karibik. Wir fühlen uns total vernetzt, anstatt allein auf dem weiten Atlantik. Tja, so ist das heute…    

 

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Donnerstag 12. Januar (2. Seetag) / Position 12°20’N 25°49’W

Heute begegnet uns Socrates, scheinbar sind ne Menge griechische Philosophen auf dem Atlantik unterwegs, ich rufe über UKW-Funk an, aber die Besatzung ist russisch und das ‚philosophieren’ (in Englisch) fällt sehr kurz aus.

‚Lord Nelson’ hat seinen Dienst eingestellt (das ist unser elektrischer Autopilot) er hatte im Sturm vor Brava Salzwasser gezogen und war von Innen nass geworden, was die Elektronik gar nicht mag. Alle ‚Wiederbelebungsversuche’ scheitern. Wenn kein Wind ist, müssen wir nun von Hand steuern, so lange wir Wind haben, macht ‚Alma’, die Windpilot Pazifik (mechanische Windsteueranlage),das ganz prima.

 

Freitag 13. Januar (3. Seetag) / Position 10°54’N 26°15’W

Freitag der Dreizehnte schlägt zu und unser Haupt-GPS  gibt auf. Leider hängt unser AIS-Radar mit dem Warnalarm mit dran (Signalton, wenn andere Schiffe in die Nähe kommen) und so müssen wir nun selber Ausschau halten nach ’griechischen Philosophen’ und anderen Schiffen.

Zur Navigation nutzen wir ein Netbook mit GPS-mouse und dem Programm Open CPN, natürlich kommt aber trotzdem jeden Tag ein Kreuzchen (Position) in die papierne Seekarte. Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl als ich diese Seekarte (Übersegler) vom mittleren Atlantik  in Hamburg kaufte; ein bisschen stolz, ein bisschen  wagemutig, aber auch vorsichtig (nur nicht überheblich werden). Afrika und Brasilien und dazwischen viel Atlantik sind da drauf –  und jetzt sind wir unterwegs und Kreuzchen für Kreuzchen zieht sich unser Kurs über die weite weiße Fläche der Seekarte. 

 

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Ansonsten wird dieser 13.te ein wunderbarer Segeltag: Die ganze Nacht und den ganzen Tag steht der Spi. Erst als der Wind abends gegen 21 Uhr auf gut 4 Bft auffrischt, muss er runter – zu schnell. Der Spi fällt ins Wasser – wir fahren drüber – er fängt unterm Schiff Wasser wie ein Sack – zieht wie Harry bei 3-4 kn – hoffentlich kommt er nicht in die Schraube – schnell nach achtern und Leerlauf rein – dann werden wir auch langsamer und der Druck lässt nach – Stück für Stück ziehen wir ihn an Deck – uff, geschafft! Fazit: Ein paar Antifoulingflecken auf dem gelben Tuch, sonst ist´s heil geblieben. Allerdings das Tuch so viel Zug bekommen, dass eine Relingsstütze gebrochen und eine verbogen ist (daran war er  hängengeblieben). „ Na ja, dann habe ich ja wieder was zu tun…“

Zur Besänftigung kommt kurz darauf eine große Schule Delfine und begleitet uns 2 Std. lang durch die Nacht – alles wird gut!

 

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Samstag 14. Januar (4. Seetag) / Position 9°28’N 27°08’W

Alles wird gut – das GPS/AIS arbeitet wieder, entspannte Backstagsbrise (raumer Wind) 4 Bft und nur leichter Seegang. Wir haben uns jetzt nach 3 Tagen an den Wach- und Schlafrhythmus auf See gewöhnt. Wir leben den halben Tag im 3-Stunden Takt, von 21 bis  9 Uhr Utc. Wir haben im Salon eine Seekoje mit Leesegel eingerichtet. Gekocht wird am Spätnachmittag, sodass wir noch bei Tageslicht (ca.19.30 Uhr) essen können. Nachmittags gönnen wir uns eine Vordecks-Salzwasser-Dusche, mittels Eimer schöpfen wir Wasser aus dem Atlantik und schütten es uns über´n Kopf, Wiederholung so oft wie gewünscht.

 

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Sonntag 15. Januar (5. Seetag) / Position 8°09’N 28°00’W

‚Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen, sofern die Winde wehn…´ und das tun sie. Leicht und gemütlich ziehen wir mit 4 kn gen Süden und schlecken nachmittags selbstgemachte Himbeersahnetorte zum Kaffee.

 

Montag 16. Januar (6. Seetag) / Position 06°31’N 28°18’W

Langsam wird´s heiß, vor allem unter Deck geht das Thermometer Mittags gen 30°. Ariane backt Brot im Dampfdrucktopf, leider geht der Hefeteig nur wenig, so dass wir den Plan ändern und 2 Brötchen und 4 Pfannkuchen (schon wieder lecker) draus werden.

 

Dienstag 17. Januar (7. Seetag) / Position 5°40’N 28°30’W

Wir gleiten durch die Nacht, fast lautlos, gezogen vom großen ‚schwarzen’ Spi. Es ist ein bisschen wie schweben, fast unwirklich, surreal, aber schööön, zum Genießen. Ein Moment der Realität in unserer eigenen kleinen Welt auf dem großen Ozean wie eine ‚Zeitkapsel’, losgelöst vom ‚Rest der Welt’.

Wir leben an Bord nach UTC (Greenwich-Zeit = MEZ-1 Std, das machen die meisten Yachten, denn es vereinfacht die Navigation, das Wache gehen und das frühe Aufstehen. Ortszeit wäre schon MEZ -2 Std und in Brasilien MEZ -3 Std und wo ist die Zeitzone zu Ende, hier auf dem Meer? Also wir bleiben lieber in unserer ‚UTC-Kapsel’.

Übrigens – ohne Wellen ist der Ozean besonders groß und weit und wir gehen (nacheinander!) in der Mittagsflaute (nach dem Segel bergen) schwimmen im endlos blauen Meer, ein 4000 m tiefes ultramarin Blau.

 

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Mittwoch 18. Januar (8. Seetag) / Position 4°27’N 28°30’W

Regen! Die ersten Schauerböen (mehr Regen als Wind) treffen wir auf 4°30’N an. Wir haben die Kalmen erreicht. N-Wind, SE-Wind, kein Wind, NE-Wind, unser Etmal (zurückgelegte Strecke in 24 Std) schrumpft auf 58 sm.

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Donnerstag 19. Januar (9. Seetag) / Position 3°10’N 28°28’W

Mehr Regen – Ariane kommt nachts um 03.00 Uhr nass bis auf die Haut von ihrer Wache aus dem Cockpit. Undichte Stellen am Mastfuß tropfen in WC und ‚Flur’, die Kompassbeleuchtung fällt aus. Dieses ‚heimelige’ rote Licht und der schnelle Blick auf den  Kurs fehlen uns plötzlich sehr. GPS/AIS fällt wieder aus, Flurlicht hat Wackelkontakt (die Lampe ist voll Wasser gelaufen) – alles feucht. Linsensuppe mit der letzten Möhre (ja, wir waren echt sparsam) und der letzten frischen Petersilie tröstet uns von Innen.

Nachmittags ein Knall, die Diagonalverstrebung vom Windgeneratormast ist runtergefallen.    Eine Schraube hatte sich im Seegang gelöst und war weg. So etwas muss natürlich sofort repariert werden!

 

Freitag 20. Januar (10. Seetag) / Position 1°46’N 28°45’W

Kleiner Schauer, großer Schauer, Gewitter, Delfine (immer wieder eine große Freude).

 

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Das Bordleben wird langsam anstrengend, Feuchtigkeit breitet sich aus, alles wird klamm und ungemütlich. Essen kochen, spülen, navigieren, lesen, reparieren und zwischendurch der Versuch einige Sachen zu trocknen – der Tag geht schneller rum als man denkt!

 

Samstag 21. Januar (11. Seetag) / Position 0°24’N 29°15’

Heute schaffen wir es bis zum Äquator! Eine sehr unangenehme Kreuzsee aus NE und aus SE (von den beiden Passatwinden) läuft gegeneinander. In Verbindung mit wenig bis keinem Wind und dadurch schlapp, schlagenden Segeln wird der Tag sehr anstrengend. Heftige, abrupte und völlig unvorhersehbare Bewegungen des Schiffs werfen uns durchs Schiff.

‚Alma’ (Windpilot) hat Steuerprobleme, weil gar kein Wind mehr ist, und selbst unter Motor kommen wir irgendwie kaum voran. Keine 3 kn bei 1800 U/min (normal wären 4,5 kn).

Ich befürchte Seetang in der Schraube und tauche noch kurz vorm Dunkelwerden unters Schiff, um nachzusehen. Aber es ist alles o.k., muss wohl dieser komische Seegang sein.

Den ganzen Tag versuchen wir ‚per Anhalter’ mit den Schauerböen zu fahren, denn dort ist wenigstens etwas Wind. Anfangs gingen wir ihnen eher aus dem Weg.

 

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Um 20.50 Uhr UTC überqueren wir dann den Äquator auf der Länge 29°22,5’W. Ariane hat ein leckeres Äquatorbrot mit Nüssen und Rosinen im Dampfdrucktopf gebacken (wir haben leider keinen Backofen) und zur Feier des Tages gibt es ein Glas Sekt, auch für Neptun und sein Gefolge. Dieser scheint das aber für eine Einladung zu halten und steigt mit seinem Dreizack von achtern an Deck zwecks Äquatortaufe. Mit breitem Grinsen reißt er uns die Gläser aus der Hand und verfüttert unser Äquatorbrot an sein Gefolge, wir müssen statt dessen rohe Muscheln und Haifischflossen essen. Prustend und nach Luft ringend versuchen wir uns zu wehren, aber gegen die Äquatortaufe hat man keine Chance. Patschnass und voller stinkendem Seetang stehen wir im Cockpit, nachdem der ganze Zauber vorbei ist und begreifen: Nun erst haben wir den Äquator wirklich überquert…

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Zur Belohnung kommt 10 Minuten später ein leichter aber stetiger SE-Passat (Wind) auf.

 

Sonntag 22. Januar (12. Seetag) / Position 0°54’S 29°53’W

Nach manueller Eingabe einer neuen Startposition arbeitet unser GPS/AIS wieder.

Ein wunderbarer Sternenhimmel spannt sich nach Auflösung des letzten Schauers über uns auf. Voraus steht das Kreuz des Südens und achteraus der große Wagen und der Nordstern noch eben über der Kimm; wie passend!

Ariane bekommt Besuch während ihrer Wache, ein großer Seevogel landet auf dem Schwimmer der Markierungsboje auf dem Achterdeck. Langer Schnabel, weißes Häubchen, was für einer mag das sein? Nach einer halben Stunde Pause fliegt er weiter.

 

Montag 23. Januar (13. Seetag) / Position 2°36’S 30°58’W

Passatsegeln im Südatlantik, SSE 4-5 Bft, später 3-4 Bft, halber Wind und Sonne, wunderbar. Es ist richtig warm geworden, jedes Stück Stoff ist schon zu viel. Bei diesem Wetter genießen wir es auf See zu sein. Auf See ist die Chiloë wirklich eine einsame Insel und das Leben (ohne Starkwind) paradiesisch. 

 

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Dienstag 24. Januar (14. Seetag) / Position Fernando de Noronha 03°48’S 32°25W

Es ist nicht mehr weit. Erwartungsvoll blicken wir dem ersten Landfall in Brasilien entgegen. Wir sind zu schnell – so würden wir noch im Dunkeln an der felsigen Küste ankommen. 2 Reffs im Groß und 1 Reff in der Genua nützen fast nichts. Bei 5 Bft läuft Chiloë immer noch 5 kn, also die Genua ins 3. Reff auf Sturmfockgröße eingerollt, jau nun rollen wir mit 3,5 kn dem Ziel Fernando de Noronha entgegen.

Mit der Dämmerung tauchen die bizarren Konturen der felsigen Inselgruppe auf – LAND IN SICHT!  Da ist BRASILIEN; wir haben den Atlantik überquert!

 

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Zum Schluss noch etwas Statistik für Interessierte:

Dauer                          13 Tage 18 Std.

Distanz                        1224 sm

Bestes Etmal (24 Std)   124 sm

Geringstes Etmal           58 sm

Motor                           49 Std

Spinnaker                    58 Std            

 


17. Bericht: Brasilien (1) – Fernando de Noronha

Februar 10th, 2012

 

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7.20h Land in Sicht! Fernando de Noronha, 280 km vor der Küste, ist unser erstes Ziel in Brasilien und was für eins! Das Archipel ist ein Naturreservat und gehört seit 10 Jahren zum Weltnaturerbe. Kleine vorgelagerte felsige Inseln und eine markant empor kragende Felsnase (300m hoch) auf der einzig bewohnten Insel  bannen unsere Blicke. Schöner kann der Landfall kaum sein. Und das ist auch gut so, denn wir fiebern dem festen Boden unter den Füssen keineswegs entgegen, die Seezeit genießen wir immer wieder sehr.

 

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Zwischen den zahlreichen Booten, die hier außerhalb des winzigen Hafens liegen, drehen wir ein paar Runden unter Motor bevor der Anker fällt. Die meisten Fischer- und Ausflugsboote sind an Muringbojen festgemacht,  nur 4 Segelschiffe ankern. Unsere Logge macht keine (Tiefen-)Angaben –   mal wieder passend, dieser Geräteausfall! Zum Glück sehen wir eine Segelcrew an Deck stehen und sie gibt uns die Wassertiefe an. Gut, 12 Meter, da können wir beruhigt den Anker fallen lassen und 40m Kette raus lassen. Um 9.30 (was Ortszeit 8.30 ist) liegen wir vor Anker.

Als erstes gibt’s ein gemütliches Frühstück mit handgepresstem Orangensaft (wie immer). Super  Panorama hier und der immer wieder beschriebene große Schwell an diesem Ankerplatz stört uns nach 14 Seetagen gar nicht, schließlich sind wir doch immer noch auf dem fast offenen Atlantik.  Schlauchboot aufpumpen, klar Schiff machen und dann geht’s an Land zum Einchecken und Geld besorgen.

Das Office zur Immigration befindet sich in einem kleinen Holzhaus direkt überm Hafen. Ein Raum mit zwei Tischen und drei alten Bürodrehstühlen steht offen, das Personal wird per Telefon informiert und kommt nach 10 min an. Zwei Männer der Policia Federal, „in T-Shirt, Bermudas und Schirmmützen, sehr relaxed und superfreundlich“ notiert Jens im Logbuch. Wir haben noch keine brasilianischen Real (die hiesige Währung), kein Problem, zahlen wir eben am Nachmittag. Einer von der Policia Federal spricht etwas englisch und bietet uns eine Mitfahrgelegenheit im Polizei-Pick-up zum Hauptort der Insel an. In diesem Dorf versuchen wir vergeblich Geld zu ziehen, die Automaten der Bank geben uns  keines, denn internationale Karten funktionieren nur an besonderen Geldautomaten.

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Die nächste Möglichkeit gibt’s am Flughafen, wir nehmen einen der halbstündig über die Insel fahrenden Busse  und am Flughafen klappt´s dann mit der Geldmaschine, puh!!! An brasilianische Währung  hatten wir vor unserer Abreise in Deutschland gar nicht gedacht, wäre aber angenehm  gewesen, denn so konnten wir nicht mal nen Wasser kaufen. Auf den Kap Verden war Euro noch eine Schattenwährung, das ist hier jetzt vorbei. Überraschend pralles Leben in der mini Flughafenhalle, es ist gerade Zeit für die An- und Abfahrt einer Maschine und entsprechend Betrieb. Zurück mit dem Bus, schauen wir uns die zwei Supermärkte der Insel an und kaufen Brot, Apfelsinen und sind froh genügend Vorräte an Bord zu haben. Ein bescheidenes Angebot und das zu teuren Preisen.


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Wir genießen es die letzten Kilometer zum Hafen zu Fuß zu laufen. Ich bin neugierig auf die kleine Kapelle, die einsam auf einem Hügel am Hafen steht. Während Jens zum Hafenmeister geht, um unsere Liegegebühren (für den Ankerplatz!) zu bezahlen, erklimme ich den Hügel. Die Kondition reicht gerade noch für den Hügel. Kaum bin ich ihn erklommen, bin ich schon mittendrin im Openair-Gottesdienst und der Prediger spricht mich freundlich an, lädt mich ein hinzukommen.  In dieser  ungezwungenen Atmosphäre drehen sich jetzt alle dem Sonnenuntergang zu, und einige, einschließlich der Pfarrer selbst beginnen zu fotografieren.

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Und während ich mich staunend und selbst fotografierend entferne, sagt Jemand im akzentfreien Deutsch zu mir „so was gibt’s nur in Brasilien!“ – allerdings! Das sagte ein Brasilianer, der in Augsburg aufgewachsen ist.

Am nächsten Morgen, während wir unser Frühstück zubereiten, sehen wir ein Segel am Horizont. Die SY La Matine naht, und wir sind gespannt Leon unseren Weggefährten der Atlantiküberquerung zu treffen. Wir hatten ihn auf Brava kurz vor unserer Abreise kennengelernt und nur 10 Minuten von Boot zu Boot mit ihm gesprochen. Jetzt sind wir neugierig auf diesen Leon, der uns täglich neben der Positionsangabe poetische Worte auf französisch simste.

In Erwartung seines Eintreffens ein Aufschrei von Jens – sein Fuß ist verbrüht! Nach vierzehn bewegten Seetagen, geschieht vor Anker, wovor wir uns immer in Acht nahmen. Nach dem Aufgießen unserer beiden Thermosteekannen stellt Jens die  Kannen wie immer verschlossen auf den Cockpitboden. Doch aus unerklärlichem Grund, dreht er einen Kannenverschluss wieder halb auf. Im Schwell kippt die Kanne um und der kochend heiße Tee läuft über seinen Fuß. Verdammt! Sofortmaßnahme kaltes Wasser, dann kommt unser Seadoc – Trainingswochenende und die Medizintasche zum Einsatz. Handschuhe, Desinfektionsspray, Skalpell, Fettsalbe, aluminiumbeschichtete Kompressen für Brandwunden – wir haben alles dabei. Jens flucht und ärgert sich maßlos über sich selbst und sieht seine Erkundung der Trauminsel schwinden.

Unsere Diagnose: Verbrennung 3. Grades, die Wunde ist knapp handtellergroß. Ich beginne meinen Einsatz. Nach gut einer Stunde ist der Fuß versorgt und verbunden.

Inzwischen hat Leon neben uns geankert und kommt mit seinem Dinghi zu uns herüber. Wir trinken gemeinsam Tee freuen, erzählen und freuen uns über die gelungene Atlantiküberquerung.

 

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Der Einhandsegler ist ausgeschlafen! Er hat nachts (einfach) geschlafen und seinem elektronischen Radar-Warnsystem die Wache überlassen.  Wir verbringen unseren Tag wie geplant mit einem Ausflug und das zu Dritt. Jens packt seinen Fuß zum Schutz gegen Wasser in eine  Plastiktüte und wir fahren an Land. Wie Leon müssen auch wir noch mal zur Hafenbude.  Die zwei netten Polizisten der Policia Federal kümmern sich heute um Leon, dann sind drei junge Männer der Capitania  gekommen und nochmals zwei Herren der Policia Militar, die uns eine Einweisung in den Naturschutz geben. Gar nicht verkehrt, denn es gibt hier einiges zu beachten: Nur einige spezielle Bereiche dürfen betreten werden, Verhalten gegenüber den Tieren, die hier zahlreich leben. Neben Echsen und großen Vögeln (z.B. Tölpel), leben hier etliche hundert Delfine in einer sehr reichen und intakten Unterwasserwelt. Die Inseln gelten als das brasilianische Galapagos und werden von vielen Tauchern besucht.  Daher zahlt man nicht nur fürs Schiff, sondern auch für die Personen (ca. 20 € pro Person und Tag). Nach zähen Verhandlungen, mit Tipps von zwei französischen  Seglern, die wir am Vorabend trafen hat Jens einen guten Gesamtpreis ausgehandelt. Nur 50 € pro Tag für einen Ankerplatz ohne Steg, Strom, Wasser oder gar Wifi.

Dann geht’s mit dem Bus nach Vila dos Remédios und von dort runter zum Strand. Unser Reiseführer gibt eine Wanderung an der Nordküste an, über gleich neun der schönsten Strände der Insel. Und das sollen zugleich die schönsten Strände Brasiliens sein, na wir sind gespannt.

 

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Türkisfarbenes Meer, langer weißer Sandstrand, kaum Menschen und unter Palmen eine kleine Bar! So hatten wir uns Brasilien vorgestellt – traumhaft!!

 Gleich an unserem ersten Strand, der Praia de Conceição, machen wir Pause. Nutzen den Schatten (bei ca. 33 Grad), bestellen kühles Bier und Leon, und ich laufen über den Strand ins Meer – angenehm, zum  ersten Mal im Meer in Brasilien!

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Das Wasser hat konstant 26 Grad, erst die Verdunstungskälte beim Rausgehen erfrischt kurzzeitig. Armer Jens – er war meist vor mir im Wasser, am liebsten schon vor dem Frühstück – nun sitzt er auf dem Trockenen, und das gleich für die nächsten Wochen. Doch wir freuen uns, dass er diese wahrhaftigen Traumstrände zumindest zu sehen bekommt und diese Wanderung überhaupt mitmachen kann.  Außerdem ist Leon ein witziger Unterhalter und die Ablenkung nach der Katastrophe auch eine gute Medizin.

 

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Wir laufen über eine Reihe von acht wunderbaren Stränden, mal kleinere, mal größere Buchten, zwischendrin müssen wir über ein paar Felsen am Fuß des Morro de Pico, dem 300m hohen Wahrzeichen der Insel klettern, um zum nächsten Strand zu kommen. Dort, an der Praia de Boldró finden ein menschenleeres paradiesisches kleines Lokal, niemand da. Leon nimmt ungeniert auf dem Korbsofa Platz und schmust mit der Katze und dem angeleinten Hündchen des Hauses.  

 

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Ein Gästezimmer mit Glasfront zum Strand gibt’s auch, das wäre unsere Traumpension. Aber wir haben unser Zuhause ja dabei und hören später, dass die Zimmerpreise auf der Insel regulär zwischen 100 und 300 Euro liegen.

 

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Die Wanderung endet nach einigen Pausen und Stunden an der Baia dos Porcos. Schweinebucht klingt nicht reizvoll und eigentlich hatte ich auf sie verzichten wollen. Jens und Leon bleiben auf dem Pfad kurz hinter der Felskuppe über die wir steigen müssen sitzen und bedeuten mir mich leise zu näheren. Sie sehen Schweine – Meerschweinchen! wie ich schnell identifiziere. Na klar, was für Schweine sollten es hier am Meer sonst sein. Irgendwo müssen diese Haustiere ja schließlich in der Natur zu finden sein. Doch damit hatte ich beim Lesen des Namens nun gar nicht gerechnet.

Die kleine felsige Bucht erweist sich bald als sehr tierreich. Hier gehen wir wie vor uns zwei andere Besucher (wir treffen hier nur brasilianische Touristen) schnorcheln. In der winzigen durch die Felsen geschützten Bucht finden sich allerlei Fische, leuchtend blau, grün, klein und groß (vielleicht 80 cm). Leon war weiter raus geschwommen als ich, wieder zurück macht er mich gerade mal 15 Meter vor dem Strand auf etwas aufmerksam. Wie toll, ich sehe eine Wasserschildkröte, etwa 60/70cm Durchmesser,  ich schnorchel direkt über ihr, während sie sich ganz langsam bewegt, nicht besonders scheu. Super –  ich bin glücklich endlich mal eine Wasserschildkröte gesehen zu haben! Auf den Kap Verden hatte ich sie verpasst und hier haben wir um sie zu sehen noch einen Strand auf der Ostseite für den Nachmittag geplant, weil dort der Hauptrevier der Schildkröten ist, die es hier in großer Artenvielfalt geben soll. Leon hatte aber hier schon zwei weitere gesehen und ein Rochen.

Während wir die Unterwasserwelt erkunden, teilt Jens den einzig schattigen Platz unter einem Baum mit einem nichtschwimmendem Brasilianer, dessen Frau neben uns schnorchelt. Das in Boston lebende brasilianische Paar macht hier Urlaub. Er hat Jens und uns die Mitnahme im Buggy, dem vergnüglichen Inselgefährt für Touristen angeboten, sehr praktisch und angenehm, denn der Fußmarsch über die Staubstraße zur nächsten Bushaltestelle ist unattraktiv und mühsam.

Außerdem erfährt  Jens, dass es der Traum aller Brasilianer ist, einmal nach Fernando de Noronha zu reisen und dass Viele lange dafür sparen. Wie gut, dass wir das nicht ausgelassen haben! Viele Segler meiden diese Insel, wegen der teuren Preise. Aber es lohnt sich und das Geld kommt der Umwelt zugute. Es ist wie so oft, Alle, die selbst hier waren schwärmen davon. 

Wir werden am Flughafen abgesetzt, von dort geht’s mit dem Bus zur geschützten Bucht an der Ostküste, der Baia de Sueste. Die ist vor allem für Taucher interessant, denn hier ist ein großes Revier der Schildkröten, von dem wir aber nichts zu sehen bekommen.

 

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Zum Abschluss dieses Tages und unseres Aufenthalts gönnen wir uns ein Abendessen im Restaurant Mergulhão, mit wunderbarem Blick nach Westen und über den Hafen gelegen, ist es modern und Lounge-mäßig gestaltet und hat zudem eine sehr attraktive Speisekarte. Als Aperitif gibt´s hier dann endlich den ersten Caipirinha, unser Welcome-Drink nach dem Atlantik. Vor dem Essen dusche ich im Restaurant, es gibt eine zum Meer hin offene Nische mit einem einfachen Wasserrohr ohne Duschkopf, aber mit sattem Wasserstrahl. Sie liegt recht unauffällig neben dem Kücheneingang, insbesondere fürs Personal gedacht. Eine weitere bemerkenswerte Dusche auf unserer Reise. Dort nehme ich im Bikini eine Süßwasserdusche, die gab´s auf dem Atlantik nur 2 Mal.  

Das Essen schmeckt so gut wie es aussieht. Fisch mit Kokosreis und Gemüse und ein brasilianischer Fleischtopf; ein Nachtisch für drei wäre ausreichend genug gewesen, meine ungezügelte Neugier auf Guayaba-Soufflé wird bestraft mit einer Portion, die ich nicht mal zur Hälfte essen kann, vom Schokoladenkuchen mit viel Vanilleeis bleibt dagegen nichts übrig.

Erfüllt von einem scheinbar endlosen Tag motoren wir mit dem Dinghi durch die mondlose Nacht wieder raus zur Chiloë. Nach einem Verbandswechsel, der uns zeigt, dass Jens Wunde den anstrengenden Ausflug offensichtlich gut  überstanden hat, fallen wir um 23h erschöpft und zufrieden in die Koje.  

Am nächsten Tag geht’s weiter nochmal zwei Seetage zum brasilianischen Festland.

 

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Kurzmeldung: Landfall in Brasilien

Februar 4th, 2012

Wir sind angekommen! Nach 14 Seetagen auf Fernando de Noronha, d e r Trauminsel der Brasilianer. Nach zwei weiteren Seetagen haben wir am Samstag, den 28.1. Cabedelo und den Rio Paraiba erreicht und akklimatisieren uns hier. 35 Grad bringen uns schon heftig zum Schwitzen. Nachrichten aus dem tropischen Sommer folgen, hier geht jetzt alles etwas langsamer …

15. Bericht: unsere Atlantiküberquerung beginnt mit Sturm

Februar 4th, 2012


Endlich mal richtig angenehm segeln, leichter Wind von achtern und kaum Welle – so richtig schöön!  Wir segeln in die untergehende Sonne, genießen einen Sundowner, leckere Frikadellen zum Abendessen und freuen uns auf die lange Seestrecke.

 

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Leider ist die Freude von kurzer Dauer, es brist auf und ich (Jens) fange an zu reffen. Um 22 Uhr bläst es schon mit 5-6 Bft eine halbe Stunde später mit 6-7 Bft. Beim Eindrehen des 2. Reffs verklemmt sich eine Segellatte des Großsegels im Großbaum, so dass dieses nun im 2. Reff blockiert ist (wenigstens die passende Größe). Um 23 Uhr ändern wir den Kurs von 200 Grad auf 170 Grad in Richtung Brava, die westlichste Insel der südlichen Kap Verden. Zumindest finden wir dort Schutz vor Wind und Welle um das verklemmte Großsegel bei Tageslicht zu befreien. Eine Option, die ich mir nicht durch den direkten Kurs nach Brasilien nehmen möchte, auch wenn es einen kleinen Umweg bedeutet. Gegen Morgen lässt der Wind dann nach, um 05 Uhr müssen wir sogar den Motor starten, die Segel schlagen, der Wind reicht nicht einmal mehr aus um sie bei diesem Seegang stabil zu halten. Mal sehen, vielleicht lässt sich das Groß doch noch auf See reparieren, wenn die Wellen sich etwas gelegt haben. Na ja, nachts lässt es sich ja ganz schön träumen… doch zum Frühstück gibt’s schon wieder Wind, schöne 5 Bft aus NE und wir rauschen wieder los mit 5-6 kn. Zum Mittag sind es 6-7 Bft und die Wellen wachsen, um 15 Uhr haben wir 7-8 (Böen bis 40 kn) und damit unseren ersten Sturm. Und der Wetterbericht sprach noch von 3-4 Bft..

 

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Die Wellen wachsen weiter, beeindruckende Wasserberge rauschen schräg  von achtern auf uns zu, wir schätzen die höchsten auf 4-5 m. Zum ersten Mal müssen wir unserer Windpilotin ‚Alma‘ (mechanische Selbststeueranlage) etwas unter die Arme greifen, denn sie kann die Wellen nicht kommen sehen. Chiloe verhält sich prima, wie gut ein so seetüchtiges Schiff zu haben, zu keiner Zeit kommen Angst oder Unsicherheit auf. Auch wenn gelegentlich grünes Wasser über Deck wäscht oder die brechenden Kämme der Wellen gegen die Bordwand knallen und uns warme Meerwasserduschen verpassen.   

 

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Mittlerweile sind wir sehr froh über unsere Kursänderung und freuen uns auf die Ankerbucht auf Brava, wir könnten es gerade vorm Dunkelwerden schaffen. Aber bis dahin haben wir noch alle Hände voll zu tun. Unter Deck, ein Knall, großes Geschepper – die Schiebetür unseres Pantryschrankes ist rausgeflogen und der Inhalt quer durchs Schiff – runterklettern, alles wieder einsammeln    beinahe alles drin, da kommt die nächste große Welle und alles fliegt mir wieder um die Ohren, diesmal bin ich mittendrin, konnte es aber nicht verhindern und diesmal ging ein Teller in tausend Stücke. Nun, so kommt jedenfalls keine Langeweile auf. Die anderen Teller werden erstmal in die Hundekoje gestopft, die Schranktür gesichert und die Scherben so gut es geht vom Boden und aus den Schuhen gepflückt und so weiter… Noch 3 Std bis Brava, wie schön, dass es da noch diese Insel gibt.

Ab 18 Uhr kommen wir in die Abdeckung von Brava, es wird schon viel besser und um 19 Uhr laufen wir in die Ankerbucht von Faja d‘ Agua ein. Beim dritten Versuch hält endlich der Anker und trotz Schwell, kommt uns der Ort paradiesisch ruhig vor. Nach leckeren Spaghetti Bolognese  schlafen wir erstmal richtig aus.

 

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Eine spektakuläre Kulisse umgibt uns am nächsten Morgen als die Sonne hinter einigen Palmen über die Felswand klettert. Wir haben ‚zufällig‘ einen wunderschönen Ankerplatz gefunden mit einem kleinen Dorf und von hohen Bergen umrahmt. Eigentlich hatten wir ja sowieso vorgehabt die südlichen Kap Verden zu besuchen. 

14. Bericht: Kap Verden – Weihnachten und Silvester auf Sao Vicente (19.12.2011-06.01.2012)

Februar 4th, 2012

Der Wetterbericht war gut und so verlassen wir nach 6 Tagen am Sonntag Sal. Die 118sm nach Sao Vicente machen wir in nur 22 Stunden, doch die sind nicht besonders angenehm. Aufgewühlte See mit Schiffsschaukelei, die jedem Kirmesfahrgerät die Show stiehlt. Werde schnell seekrank und zudem traurig. Nach 6 Tagen sind wir gerade etwas eingelebt, die  Fischer grüßen schon mal, man weiß immer mehr von den anderen Ankerliegern und ein besonders intensiver Austausch war mit Marion und Harald unseren Nachbarn mit dem Katamaran Rufus II entstanden. Eine gemeinsame Wellenlänge und unkomplizierte, herzliche Nachbarschaft war entstanden, sodass wir nach 2 Tagen ein so vertrautes Gefühl hatten als würde man sich schon lange kennen. Mit der von Harald erworbene Aktivantenne hatten wir nach stundenlangen Installationsversuchen schließlich kostenfreien Internetzugang am  Ankerplatz. Damit hätten wir hier in aller Ruhe unsere Fotokalender für die Familie zu Weihnachten fertigstellen können. Aber irgendetwas trieb uns zur Weiterfahrt. Als wir nach 2 Stunden auf See feststellen, dass wir eigentlich noch gerne geblieben wären, wenden wir, doch der Gegenkurs war so nicht machbar. Also bei 4-5 Windstärken und chaotischer See segeln wir weiter nach Sao Vicente.

Mit Tageslicht segeln wir nördlich an San Nicolau und San Vicente vorbei. Begeistert genießen wir die spektakuläre Felsküste mit ihren vielfältigen und spannenden Konturen. 

Die Marina Mindelo ist der einzige Yachthaven auf den gesamten Kap Verden, immerhin ein Dutzend bewohnte Inseln. Nach 2 Wochen ohne, brauchen wir Wasser und Landstrom, um unsere Bordbatterie mal wieder richtig aufzuladen. Also gehen wir erst mal in die Marina und ankern später. Im Vergleich zu den Orten auf Sal ist Mindelo eine richtig große Stadt, auch wenn es nur 60.000 Einwohner gibt.

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Cesaria Evora, die bekannteste Sängerin der Kap Verden ist am Samstag gestorben. Die Botschaft war in wenigen Stunden auf allen Inseln rum, Staatstrauer an drei Tagen. Der Dienstag ist ein halber Feiertag. Alle Geschäfte haben ab Mittag geschlossen, um 15.30 Uhr findet die Trauerfeuer im ehemaligen Gouverneurspalast statt. Evoras Musik ist international bekannt und so wurde sie zu einer Botschafterin kapverdischer Kultur in der Welt. Jens besitzt seit Jahren CDs von ihr, wir hören und schätzen ihre Musik. Also wohnen wir der öffentlich übertragenen Trauerfeier mit vielen tausenden Kapverdianern bei. Unsere Spanischkenntnisse helfen zumindest einen kleinen Teil der vielen Reden zu verstehen.

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Am nächsten Tag – beim 3. Versuch- hat dann die Post endlich geöffnet. Wir erwarten Päckchen von Liros und meiner Familie, es weihnachtet. Wir haben einen Abholschein. Stehen damit in der falschen Schlange an, aber die Kapverdianerin ist freundlich und geht für uns das Paket im Paketraum holen. Dauert alles, vor allem auch, weil die Kommunikation nicht ganz einfach ist. Jens hatte zwar vor der Reise  angefangen portugiesisch zu lernen, aber das reicht hier nicht. Nach ca. einer Dreiviertelstunde halten wir ein Päckchen in den Händen. Ein Aachener Printenweihnachtsbaum und selbstgebackene Vanillekipferl von Renate, lieb und lecker!! Ein zweites ist auch da, aber dafür fehlt der Abholschein. Der ist inzwischen in der Marina aufgetaucht.  Am nächsten Tag gibt’s damit dann das zweite Päckchen von meiner Schwester und ihrer Familie aus Lüneburg mit Heidehonig und Salami, selbstgebackenen Plätzchen von meiner Schwester  Anja und Alina, sowie eine CD. Echt Weihnachten. Und das Paket mit der Reffleine von Liros gibt’s dann auch ohne Abholschein. Ebenso bekomme ich einen dicken Brief überreicht. Auch wenn es den Eindruck macht, als würde alles nach und nach aus den Ecken hervorkommen – so ist aber doch alles (nach gut 2 Wochen) angekommen. Für Weihnachten sind wir nun bestens gerüstet. Wir hätten es niemals gedacht, kaum zu glauben, doch wir haben 8 Sorten selbstgebackenen  Weihnachtsplätzchen fern der Heimat von unseren Lieben daheim bekommen.

Am 24. Dezember sind wir zeitig morgens um 10 Uhr auf dem Fischmarkt. Spannend und appetitlich ist die Auswahl an kleinen und großen Fischen und  Meeresfrüchten. Wir kaufen Muscheln (wie heißen sie nur?) und riesige Thunfischsteaks.

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Fisch ist hier immer frisch und sehr preiswert (Thunfischfilet 3,50 €/Kg). Alle anderen Lebensmittel sind eher teuer, kaum vorzustellen wie die Kap Verdianer sie bezahlen können. Aber 90 % der Lebensmittel werden importiert. Das Meer gibt ihnen alles, das Land nichts, hören wir von einem hier lebendem Franzosen. So verschwindet Fleisch fast ganz aus unserem Speiseplan, und wir wagen uns an gut aussehende unbekannte Fische. Zu Weihnachten fein zubereitet in einer CurryCocossauce. Obst und Gemüse gibt es auf dieser sonnigen, aber kargen und wasserarmen Insel nur in geringer Auswahl.

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Am 24. machen wir dann unseren ersten Ausflug. Wir fahren mit einem Aluguer (Sammeltaxi) nach San Pedro, einem Fischerort mit schönem Strand und einem Leuchtturm mitten in der Felswand. Der Aluguer ist mit 18 Personen und diversen Tüten Weihnachtsgeschenken randvoll geladen. Wir sind die einzigen Touristen in dem Kleinbus, der eigentlich nur 15 Plätze inkl. Fahrer hat, doch wenn man zusammenrückt passen auch 18 rein. Nach 20 Minuten steigen wir in San Pedro aus, laufen den menschenleeren Strand entlang bis zum anderen Ende der Bucht, wo Jens den Einstieg zum Weg zum Leuchtturm kennt.

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Von Ferne kaum zu glauben, dass man an dieser steilen Felsküste bis  zum Leuchtturm gehen kann. Wir gehen eine gute Stunde, bleiben immer wieder staunend stehen.

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Ein großartiges Panorama über die Bucht und sensationell die wie von Menschenhand geschaffenen vulkanischen Felsmauern, die unseren Weg durchschneiden. Zur Kaffezeit gibt´ s nen Picknick mit dem Weihnachtsgebäck aus der Heimat.

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Heiligabend ist in Mindelo recht unheilig. Jens kehrt Jens ganz überrascht von seinem kleinen Spaziergang durch die Stadt zurück: alle Plätze sind voll, vor allem jede Menge Kinder. Für sie gibt es Kindertheater, Unterhaltungsprogramm bis 22 Uhr, danach geht man Pizza essen.

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Bei uns gibt’s Spaghetti mit Muscheln, vom Aussehen sind sie Jacobsmuscheln etwas ähnlich, das Fleisch ist nur fester. Und zum Nachtisch – Schwarzwälderkirschtorte!, wegen der Kühlung erstmal nur ne  Halbe. Eine Tradition die Jens sich nicht nehmen lässt. Ein super leckeres Fischcurry erstmals nach Rezept aus unserem Fischkochbuch gibt’s am folgenden Tag. Zu Weihnachten haben wir uns eine Flasche kapverdischen Weißwein von der Insel Fogo gegönnt, eine Delikatesse mit fruchtig trockenem Geschmack. Der Feiertag ist geruhsam, wir führen Gespräche über den weiteren Verlauf der Reise. Fragen die vor allem Jens beschäftigen. Jens erfüllt mir einen Wunsch und beginnt erstmals eine Skulptur an Bord zu bauen – nun hängt eine kleine Barke bei uns im Salon, wie schön!!

 

Die nächsten Tage widmen wir ganz dem Schiff. Am 2. Weihnachtstag bekommen wir Besuch, der uns den Rest des Tages beschäftigt. Wir sichten eine, die 1. Kakerlake im Cockpit. Das löst einen Großalarm bei uns aus, heißt es doch, wenn man ein Tierchen sieht, dann sind mindestens 100 da. So sieht es am 26. bei uns ganz unweihnachtlich aus: alle Bodenplatten werden im Cockpit geschrubbt und desinfiziert, ein großer Hausputz steht an.

An Weiterfahrt ist nicht zu denken von Weihnachten bis Neujahr gibt ordentlich Wind und Welle. Wir machen noch einen weiteren Ausflug an die Nordküste der Insel. In Salamanca prallen Welten aufeinander: ein kleines mittelloses Dorf und am Strand Kite-Surfing. Im nächsten Ort Baias de Gatas treffen wir auf die rauhe Nordküste. Von See sah sie so reizvoll aus, von Land ist der Zugang zum Meer hier gar nicht möglich, ein endloses Feld von Basaltsteinen statt Strand und zudem heftig brechende Wellen aus Nordost.

 

Die Nachbarinsel San Antão erkunden wir ohne Chiloë. Morgens um 7.30 Uhr geht eine Fähre, die uns in einer Stunde rüber bringt. Der Seegang ist selbst auf dem großen Fährschiff beträchtlich. Drei Tage zuvor war die SY Tamora angekommen. Sie hatten wir zuletzt auf La Gomera gesehen. Wir feiern Wiedersehen mit Schwarzwälderkirschtorte von Jens und ner Flasche Prosecco.

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Den Ausflug nach San Antão machen wir zusammen, mieten uns zu viert einen Aluguer. San Antão ist grün, diese nordwestlichste Insel hat der Inselgruppe den Namen gegeben. Wir fahren von Porto Novo im Süden nach Ribeira Grande an der Nordküste. Die rund einstündige Fahrt geht quer über  den  Gebirgskamm von 0 auf 1300 Meter. Wir sind total begeistert, lassen den Fahrer alle naselang stoppen, immer wieder gibt es neue Blicke in terrassierte Täler auf bizarre Felsen und kleine Hütten. Unerwartet ist es zwischendurch richtig frisch, es ist windig und zum Nachteil der Fotografen sind leider oft ein paar Wolken zuviel da. Über eine gepflasterte an die Steilküste gebaute Straße erreichen wir Ponta do Sol, den nördlichsten Punkt der Insel und zugleich der Kap Verden. Um den kleinen Hafen siedelte sich im 19. Jh ein Fischerdorf an, heute liegen hier nur noch kleine Ruderboote. In Paúl gibt’s eine Mittagspause. Ein kleiner Ort entlang der Küste unter riesig hohen Kokospalmen. Wir besuchen eine Rum-Destillerie. Nein eigentlich wollte ich diesen Programmpunkt, den uns der Fahrer vorgeschlagen hat, nicht mitmachen – kenn ich doch schon, dachte ich. Die traditionellen mit Zuckerrohrwedeln bedeckten Dächer hatten mich aber schon bei der Einfahrt in den Ort angezogen. Genau hier hinter Mauern versteckt (ohne jeden Hinweis) gab´s die Schnapsbrennerei. Es gab einiges zu sehen im Schatten eines den  Innenhof überragenden Baumes: eine uralte, traditionelle Zuckerrohrpresse,  einfache Leitungen und Plastikkanister für den Gärprozess. Die Ochsen, die die Presse antreiben, ruhten im offenen Stall nebenan, frei laufende Hühner und am Boden saß ein Mann, der unermüdlich Mandeln knackte. Groque heißt der Rum, der hier auf den Kap Verden erzeugt wird und  ursprünglich als reiner Zuckerrohrschnaps gebraut wurde.

Allein von Paúl aus, könnte man eine ganze Woche lang spannende Wanderungen unternehmen. Leider haben wir dazu keine Zeit, unsere letzte Fähre geht um 17 Uhr zurück.

Seit unserer Ankunft hören wir auf den Straßen und Plätzen von Mindelo Musik, immer wieder dieselben Lieder, ein Weihnachts- und Neujahrs-Sampler, die CD des Jahres. Jetzt zu Silvester wird eine große Bühne aufgebaut, quer über die Straße. Andere Segler erzählen von dem Funkensprühenden Feuerwerk, man möge sich in Sicherheit bringen. Wir beschliessen an unserem Ankerplatz zu bleiben, von dort aus haben wir die beste Sicht auf das Feuerwerk am Strand. Um Mitternacht trinken wir Sekt, erst mit der Tamora, dann allein bei uns an Bord.

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Es gibt ein zentrales Feuerwerk, und das kann sich durchaus sehen lassen. Und tatsächlich fliegen uns so einige Raketenreste in Form von Staub und Papier um die Ohren. Aber alles o.k., keine Gefahr.  Anschließend ziehen wir los auf die Straße zur Livemusik, die begann um Mitternacht und spielt bis 2 Uhr. Eine große öffentliche Silvesterparty, ohne Bierstände und dem Augenschein nach ohne Alkohol auf der Straße. Beim rumziehen durch die Stadt entdecken wir noch weitere Partyorte, in Hotels oder Restaurants, doch die kosten alle umgerechnet 30 Euro, also nichts für jedermann, doch gut besucht von zahlreichen jungen Leuten.

Der  Wetterbericht kündigt gemäßigten Wind und Welle für den 3. Januar an. Marion und Harald von der RufusII, kündigen sich ebenfalls für diesen Tag an. Wir beschließen zu warten und nochmal einen Tag mit ihnen zu verbringen. Sie waren über Weihnachten in Deutschland, haben Weißwürste mitgebracht und so gibt´s eine bayrische Brotzeit mit Weißwürsten, süßem Senf und Weizenbier. Ich freue mich besonders über das Wiedersehen, auch wenn unsere Stimmung schon ein wenig vom Aufbruch zur  Atlantiküberquerung geprägt ist. Drei holländische Schiffe und ein französisches haben Brasilien als Ziel und sich zum gemeinsamen Aufbruch über den Atlantik verabredet. Wir schließen uns an, auch wenn unser Schiff kleiner und langsamer sein wird. Über Funk zu festgelegten Zeiten morgens und abends wollen wir alle im Kontakt miteinander bleiben. Eine angenehme Aussicht sich nicht ganz allein auf dem weiten Ozean zu wissen.

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Nach diversen kleineren Arbeiten und letzten Einkäufen, vor allem Wasser und Müsli, ist es dann am 4. Januar soweit.  Die anderen Schiffe laufen vormittags aus, wir haben noch zu tun. Ich gehe morgens um 8 Uhr noch zu einem Chiropraktiker. Schmerzen am Ischias hatten mich gequält bis ich ein Schmerzmittel nahm. Ferndiagnose und Hilfe von zwei Krankengymnastinnen (Freundin Silvia und Schwester Anja) halfen nur bedingt. Da kam die Info vom französischen Chiropraktiker gerade recht, er lebt auch auf einem Segelboot, liegt für einige Monate im Hafen und praktiziert vormittags in einem angemietetem Raum, wo seine Massagebank steht. Nach einigen kräftigen Handgriffen war alles wieder gerichtet, eine gute Basis für die lange Seestrecke. Während Jens letzte Vorbereitungen am Schiff macht, brate ich zwanzig Frikadellen als Proviant. Zum Abschluss gehen wir mit Harald und Marion, die uns die letzten Stunden ganz geduldig begleiten, noch einen letzten Café in der Marinabar trinken und dann geht’s schließlich um 17 Uhr los.